Die Weltenspieler - Insignia I: Roman (German Edition)
darüber, dass die riesige Halle die Innenräume des ersten, zweiten und dritten Stockwerks füllte. Sein Blick schweifte über die unterschiedlichen Hürden, die sie würden überwinden müssen. Gräben, über die man springen musste, Leitern und Felswände, die man erklimmen musste, Sprunggruben, Wassergräben, lang gezogene Abschnitte guter, alter Laufbahnen mit Kunstrasen. Die Laufbahnen wanden sich und verschwanden um die Biegung des Turmes aus seiner Sicht. Stufen schlängelten sich hinauf zu offenen Podesten, auf denen sich weitere Hindernisse befanden.
Und dann verwandelte sich die Landschaft um ihn herum. Auf einmal waren sie nicht mehr in der Halle, sondern standen auf einem riesigen, grünen, hügeligen Feld.
Tom blinzelte mehrmals mit den Augen. Das Feld war nach wie vor da, überdeutlich und klar wie der helle Tag. »Was ist da gerade passiert?«
»Du hast jetzt einen Neuronalprozessor«, erwiderte Vik »Verstehst du? Der Computer übernimmt die direkte Steuerung der Signale aus deinem Sehnerv.«
Nun begriff Tom: Sein Gehirn wurde mit einem falschen Bild gespeist, so wie bei dem Bild der Nährstoffriegel beim Frühstück.
»Also ist … nichts hiervon real«, sagte Tom, während er versuchshalber mit dem Absatz seines Stiefels über das Gras strich. Es war unglaublich – er roch das Gras sogar!
»Und was die Wettkampfarena angeht, die du gerade gesehen hast – sie ist echt. Dieses Bild eines Felds hat bloß der Prozessor erzeugt und hält deine Augen zum Narren. Die Geräusche, die du hörst, der Wind, den du spürst? Alles Fake«, sagte Vik. »Im Grunde genommen ist das ein Versuch, Sport zu einer Art erzieherischer Tätigkeit zu machen. Die meisten Übungsszenarien basieren auf Schlachten, die tatsächlich stattgefunden haben. Man lernt etwas über Militärgeschichte, ohne dass sie sie dir tatsächlich beibringen müssen.«
Eine kühle Brise streifte über Toms Haut und fuhr ihm durch das Haar – und sie fühlte sich total echt an. Unter seinen Stiefeln gab das Gras ein quatschendes Geräusch von sich, und die milchig weiße Morgensonne brannte ihm in den Augen. Tom konnte den beißenden Rauch, der in dunklen Schwaden vom fernen Horizont herbeigeweht wurde, riechen. Er konnte sogar Stimmengemurmel von irgendwo jenseits des Feldes hören und spüren, wie der Boden unter dem Getrampel Tausender Schritte vibrierte.
Er guckte angestrengt, um die echte Arena durch das Trugbild hindurch zu erkennen, doch er war dazu nicht in der Lage. »Wenn wir die richtige Welt nicht sehen können, wie können wir dann verhindern, dass wir irgendwo gegenknallen?«
»Das Trugbild passt sich der tatsächlichen Arena an«, erklärte Vik. »Ein Fluss ist an der Stelle des Pools. Felsbrocken liegen an der Stelle niedriger Wände, Klippen nehmen die Position der Kletterwände ein, so in diese Richtung. Übrigens solltest du jetzt Dehnübungen machen und dann joggen, so lange du kannst. Bei Fitnessübungen geht es immer mit einer Herz-Kreislauf-Einheit los.«
Tom sah sich nach dem Rest der Rekruten um, die sich nun in alle Richtungen überall auf dem Schlachtfeld verteilten. Sie dehnten sich alle und schauten sich angespannt über die Schulter. Tom wandte sich der Hügellandschaft zu und fragte sich, worauf sie wohl warteten.
»Was kommt als Nächstes?«, fragte er Vik.
»Ein Anreiz, einen Sprint hinzulegen.«
Tom dehnte sich, während der Wind ihm ins Gesicht blies und sein Herzschlag sich erhöhte. Das ferne Grollen von Stimmen wurde lauter. Er sah, dass die Rekruten abrupt mit ihren Dehnübungen aufhörten und zu laufen begannen.
Schreie erfüllten die Luft. Tom schaute sich in Richtung des Hangs um, und ihm stockte der Atem, als er den Anreiz für einen Sprint erblickte. Tausende Männer in Schottenröcken ergossen sich über den Hang, während sie einen grimmigen Schlachtruf ausstießen und Schwerter in ihren Fäusten aufblitzten.
Wie cool ist das denn , dachte Tom verblüfft.
Dann schwirrte ein Speer an seinem Kopf vorbei, und sein Überlebensinstinkt meldete sich. Schlagartig wurde ihm klar, dass er unbewaffnet einer wütenden Horde mittelalterlicher Schotten gegenüberstand. Er fing an zu laufen, während ihm die Schreie in den Ohren dröhnten. Erneut schwirrte ein Speer an ihm vorbei und sauste mit einem satten, dumpfen Geräusch in das Gras. Mit hämmerndem Herzen wich Tom ihm aus und machte sich noch einmal klar, dass das hier nicht real war. Er war nicht in Gefahr. Das hier war eine
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