Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Weltgeschichte der Pflanzen

Die Weltgeschichte der Pflanzen

Titel: Die Weltgeschichte der Pflanzen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Seidel
Vom Netzwerk:
Anzahl der Kokainnutzer in den USA wird auf zehn Millionen geschätzt. Die Wertsteigerung der Pflanze in dieser Lieferkette ist immer wieder eindrucksvoll. Beträgt der Andenpreis von einem Kilogramm reinen Kokains etwa 2000 bis 3000 Dollar, so kostet es nach dem Transport auf notgedrungen verschlungenen Wegen, auf denen nur Kriminelle wandeln, 30000 bis 40000 Dollar. Die Substanz wird üblicherweise sehr arg »gestreckt« und nur in kleinsten Portionen »auf der Straße« verkauft, wodurch sich der Gesamtendpreis nochmals vervielfacht. Das ist das Grundprinzip dieser »Wertschöpfungskette«. Es kommt, wie bei vielen anderen ganz alltäglichen Produkten, darauf an, die Vertriebskanäle zu kontrollieren und die Ware vom Erzeuger zum Endverbraucher zu bringen. In Südamerika sind Bolivien und Peru die wichtigsten Erzeuger. Kolumbien ist ein wichtiger Verarbeiter. Man braucht nur gute Kontakte zu den Herstellern oder Groß- und Zwischenhändlern einerseits und eine Kenntnis der Zielgruppen oder direkte Kundenkontakte andererseits. Wegen der Illegalität sind die Transport- und Vertriebsrisiken hoch, und es ist viel Gewalt im Spiel. Das Medellin-Kartell (inzwischen zerschlagen) und das Cali-Kartell waren oder sind die bekanntesten »Handelsunternehmungen« in diesem Geschäft, die sich auch gegenseitig bekriegten.
    Das gleiche Szenario von Droge, Illegalität und organisiertem Verbrechen gab es zumindest in den USA schon einmal: während der Alkohol-Prohibition in den Zwanzigerjahren. Erst das Verbot von Alkohol verhalf der Mafia wirklich zum Durchbruch.
    Ein erheblicher Teil der Insassen von Strafanstalten in der westlichen Welt befinden sich dort wegen direkter Verstöße gegen Betäubungsmittelgesetze oder wegen der damit verbundenen Beschaffungskriminalität. Und nichts fürchten die Justizvollzugsanstalten mehr als das Einschmuggeln von Drogen in die Gefängnisse. So gesehen zahlt die Gesellschaft einen hohen Preis für die Illegalität von Drogen, nicht zu reden von den medizinischen Kosten bei den Opfern und von den Unwägbarkeiten, die von den Geldwäscheproblemen bei den Profiteuren ausgehen. Im Weltdrogengeschäft werden nach UNO -Schätzungen mehrere hundert Milliarden Dollar umgesetzt. Nur Erdöl gilt als ein noch größerer Wirtschaftsfaktor bezogen auf eine Produktgruppe.
    Eine Wertschöpfung, wie sie mit dem Kokastrauch zu erzielen ist, wäre für die Andenstaaten mit dem Anbau von Kartoffeln oder Tomaten natürlich nicht möglich, die Volkswirtschaften dieser Länder sind davon in hohem Maß abhängig. Die Forderungen etwa der USA an südamerikanische Staaten, den Kokaanbau zu unterbinden, führen zu ernsten Verwerfungen. Koka und Mohn sind daher weltwirtschaftlich und politisch bedeutende Pflanzen in vielen Teilen der Welt und ein überaus komplexes Problem.

Die Blumen des Bösen
Mohn
    Schlafmohn ist global gesehen die mit Abstand wirtschaftlich bedeutendste »Blume«. Aus ihr wird Opium beziehungsweise Heroin gewonnen. Afghanistan, das mit 90 Prozent Weltmarktanteil führende Mohn-Anbauland, bringt jährlich 7000 Tonnen Opium auf den Markt. Die Milliardengeschäfte, die mit diesem Pflanzenprodukt gemacht werden, sind allerdings nicht legal.
    Mohn zählt zu den ältesten Kulturpflanzen überhaupt; sein Anbau ist seit 6000 v. Chr. nachgewiesen. Mohn wurde mithin schon vor der Ära des frühesten Getreideanbaus in Mitteleuropa angepflanzt, also bereits von spätmittelsteinzeitlichen Jägern und Sammlern. Allein das ist bemerkenswert, zumal in Verbindung mit der Tatsache, dass der Wilde Mohn ausnahmsweise einmal nicht aus dem Fruchtbaren Halbmond des Vorderen Orients stammt, sondern aus dem westlichen Mittelmeerraum rund um die Iberische Halbinsel. Er kam über die Rhein- Rhône-Schiene ganz früh zu den ersten Keramikkulturen nach Mitteleuropa. In den Pfahlbausiedlungen Süddeutschlands und der Schweiz und an archäologischen Fundstätten im Maas-Gebiet wurden Mohnsamen nachgewiesen. Ebenso gelangte der Mohn bereits vor Beginn der ersten Hochkulturen in Mesopotamien in den Nahen Osten. Die pharmazeutisch wirksamen »Freuden« der Pflanze werden auf Keilschrifttafeln der Sumerer erwähnt. So blieb es Jahrtausende hindurch während der Altantike über die klassische Antike bis in die Spätantike. Nach Asien, ein heutiges Hauptanbaugebiet, wurde der Mohn nur als Kulturpflanze verbreitet.
    Die einschläfernde und schmerzstillende Wirkung verschiedener Extrakte des Mohns war also nicht nur in der Antike,

Weitere Kostenlose Bücher