Die Weltgeschichte der Pflanzen
sondern bereits in der Jungsteinzeit bekannt. Sie muss in Zeiten, die sonst keine Betäubungsmittel kannten, als außergewöhnlich erschienen sein. Sowohl der bedeutendste antike Enzyklopädist Plinius wie der berühmte Arzt Dioskurides, von dem das maßgebliche Medizin- und Kräuterbuch der Spätantike überliefert ist, beschreiben die Zubereitung und Wirkung des Schlafmohnsaftes genau. Über einen Missbrauch als Droge gibt es außer aus der Zeit des römischen Kaiserreichs keine Belege.
Eher für die kultische Bedeutung der Pflanze.
Die Samen essen wir als Mohnkuchen oder auf Mohnbrötchen; die verbreiteten dunkelblauen Sorten stammen alle vom Schlafmohn, Papaver somniferum (der »schlafbereitende Mohn«). Hauptlieferland der Mohnsamen für diese leckere Kuchen- und Brötchenbackerei ist heute die Türkei. Mohnsaat ist gesund, mit viel Calcium und Vitamin B. Morphin enthalten die Mohnsaaten so gut wie nicht. Der wohlbekannte nahe Verwandte des Schlafmohns, der leuchtend rot blühende Klatschmohn ( Papavera rhoeas ), enthält ebenfalls kein Morphin.
Schlafmohn und Klatschmohn gehören zur botanischen Familie der Mohngewächse in der Ordnung der Hahnenfußartigen. Weitere Familien in dieser Ordnung sind die Berberitzen- und die Hahnenfußgewächse. Bei uns vorkommende Pflanzen aus der Familie der Hahnenfußgewächse sind überwiegend giftig, zum Beispiel Anemonen, Dotterblumen, Eisenhut, Rittersporn, Hahnenfuß und Akelei.
Opium wird also nicht aus den harmlosen Samenkörnern, sondern aus dem weißen Milchsaft des Schlafmohns gewonnen. Er tritt aus, wenn die noch unreife Samenkapsel leicht angeritzt wird, und gerinnt gummiartig. Das macht man in der Regel am späten Nachmittag; der Milchsaft oxydiert dann an der Luft, wird dunkelbraun oder schwarz und trocknet ein. Am nächsten Morgen kann das Rohopium abgeschabt werden. Diesen Vorgang kann manmehrmals wiederholen, bis die Samenkapsel stark »vernarbt« ist. Bevor man Opium rauchen kann, muss es noch aufwendig bearbeitet werden, unter anderem durch Erhitzen und durch Fermentieren mit einem Schimmelpilz.
Für die legale Opiumgewinnung für die pharmazeutische Industrie werden die Mohnpflanzen einfach abgemäht, zerkleinert und das Opium mit Lösungsmitteln ausgewaschen.
Dieser pro Samenkapsel in wirklich kleinsten Mengen gewonnene, geronnene Milchsaft enthält um die 40 verschiedene Alkaloide, als wichtigstes Morphin, daneben auch Codein, den bekannten Hustenlöser. Alkaloide sind organische Stickstoffverbindungen, die hauptsächlich von Pflanzen gebildet werden und bei der Aufnahme in den Körper von Menschen (oder Tieren) direkte Auswirkungen haben. Viele sind giftig; sie schmecken »bitter« oder »scharf«. Zu den bekanntesten Alkaloiden zählen Morphin, Strychnin (aus der Gewöhnlichen Brechnuss), Koffein, Nikotin, Capsaicin (Paprika) und Piperin (Pfeffer).
Offenbar wurde Opium in der Antike überwiegend zu therapeutischen Zwecken verwendet – kaiserzeitliche Drogenexzesse im alten Rom ausgenommen. Auch im Mittelalter war der Gebrauch allenfalls auf die Apotheke beschränkt. Das änderte sich in der Spätrenaissance, als Opiumtinktur oder »Laudanum« immer mehr in Gebrauch kam. Es handelt sich um eine Mischung aus mit etwas Wasser verdünntem Wein und Opium etwa im Verhältnis 9 zu 1. Erfunden hat es der bekannte Arzt Paracelsus (1493-1541). Das einschläfernde und beruhigende Laudanum wurde ein weit verbreitetes »Schmerzmittel« oder »Beruhigungsmittel«; es war in der Hausapotheke immer griffbereit, so wie heute Aspirin. Selbst Kinder wurden damit ruhiggestellt.
Auch der überstudierte Faust greift in der Nachtszene in Goethes Faust I kurz vor dem Osterspaziergang nach der Phiole mit dem »Inbegriff der holden Schlummersäfte«. Er ist der ewigen Wissenssuche (»Habe nun, ach!«), die ihm nichts gebracht hat,überdrüssig und darob in eine ziemlich depressive Stimmung verfallen. Da entdeckt er das Fläschchen (»Du Auszug aller tödlich feinen Kräfte«), von dem er sich zunächst etwas Inspiration erhofft: »Zu neuen Ufern lockt ein neuer Tag.« Beinahe hätte er eine tödliche Überdosis genommen, nur das frühmorgendliche Läuten der Osterglocken hält ihn davon ab.
Zur Goethe-Zeit war offenbar halb Europa süchtig, vor allem die »besseren Kreise«. Bis weit ins 19. Jahrhundert hinein war Laudanum der Hausfreund vieler bürgerlicher Frauen in der westlichen Welt, die tätigkeitslos und von Konventionen gefangen in arrangierten, freudlosen Ehen
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