Die Weltgeschichte der Pflanzen
Inkas eine heilige Pflanze, die allerbesten Sorten kaute der Inkaherrscher selbst. Er trug außer seinem zeremoniellen, strahlend weißen Umhang, prächtigem Kopfschmuck, goldenen Sandalen nie etwas anderes bei sich als einen Beutel, der seine Kokablätter enthielt. Ihm und der Inkaelite verliehen die stimulierenden Blätter Überlegenheit. An Angehörige des Volkes wurden die Blätter nur als Belohnung für besondere Leistungen vergeben oder für Laufmelder, die in dem ausgedehnten Reich mit seinem schwierigen Territorium in großer Höhe besondere Leistungen vollbringen mussten. Kokablätter-Kauen erhöht die Aufnahme des in der Höhe knappen Sauerstoffs ins Blut, verringert die Erschöpfung, Hunger- und Durstgefühl werden unterdrückt.
Als die Spanier nach ihrer Eroberung zügig an die Ausbeutung der Silberminen gingen, war Kokakauen bereits allgemein üblich. Trotz der Einwände von kirchlicher Seite, die das Kokakauen als heidnische Unsitte brandmarkte, verteilten die Spanier Kokablätter an alle wie Sklaven schuftenden Indios. Die ergiebigsten Minen von Potosí liegen in großer Höhe von 4.200 Metern, wo jede Arbeit und Transportleistung überaus anstrengend ist. Mit Kokas Hilfe schafften die Spanier eine Ausbeuterei, die in der Geschichte der Sklaverei ihresgleichen sucht – sowohl des Silbers wie der Menschen. Dadurch entstand natürlich eine weitreichende Abhängigkeit von der Kokapflanze, allerdings nicht im Sinne einer Sucht. Die Andenvölker kauen die Blätter mit Kalk, wodurch das Kokain umgewandelt wird. Der durchschnittliche Kokablätterkonsum eines Indios lag zwischen 30 und 60 Gramm Blättern pro Tag.
Kokablätter enthalten etwa ein Prozent Kokain, ein Alkaloid, das beim Kauen langsam abgegeben wird – zusammen mit einer ganzen Reihe weiterer Alkaloide, Aromastoffe und Inhaltsstoffe,die insgesamt das Wohlbefinden und das Selbstwertgefühl steigern. Es gibt Unmengen basischer Alkaloid-Verbindungen in allen möglichen Pflanzen, sogar in Kartoffel, Paprika und Tomate. Die bekanntesten sind Nikotin, Koffein, Morphin und Chinin. Pauschal kann man sagen, dass sie den Pflanzen als Schutz gegen Fressfeinde dienen. Tiere meiden diese für sie giftigen oder unbekömmlichen Pflanzen. Es sind organische Verbindungen aus Wasserstoff, Sauerstoff und Kohlenstoff mit Stickstoff. (Die chemische Formel des Kokains lautet C 17 H 21 NO 4 .) Schon kleine Mengen wirken im Organismus sehr effizient, etwa an Rezeptoren für Neurotransmitter oder im Zentralnervensystem.
Am Kokastrauch gibt es unterschiedliche Qualitäten. Die besten werden – wie beim Teestrauch – als junge Blätter von den Spitzen der Zweige geerntet. Sie enthalten weniger Kokain und mehr Aromastoffe.
Anders als Kaffee, Tee und Tabak war der Kokastrauch für die Europäer zunächst uninteressant. Kokain wurde 1855 als Alkaloid entdeckt und 1860 chemisch isoliert. Es war das erste Lokalanästhetikum.
Noch vor 1900 hielten seriöse Mediziner Kokain auch für ein Stärkungs- und Anregungsmittel, ja man betrachtete es als ein Wundermittel. Das lag daran, dass man es nicht konzentriert zu sich nahm, sondern, wie der Cola-Erfinder Pemberton, nur als Pflanzentonikum. Manche Ärzte glaubten, man könne es als harmlosen Ersatz für Heroin verwenden. Auch Heroin wurde anfangs ganz offiziell als medizinisches Präparat angeboten und in kleinen Arzneifläschchen verkauft wie Hustensaft, bis man allmählich das Suchtpotenzial erkannte. Ähnlich verlief es bei Kokain. Zunächst glaubten die Ärzte nicht an ein Suchtpotenzial. Erst kurz vor dem Ersten Weltkrieg wurde Kokain in den USA als Narkotikum verboten.
Was es umso interessanter machte. Kokain galt schon in den Zwanzigerjahren als Modedroge in den Hauptstädten der westlichen Welt. Nach dem Zweiten Weltkrieg gewann der Konsum dann völlig neue Dimensionen, nicht zuletzt dank des rasant ansteigenden Flugverkehrs, der Nord- und Südamerika viel enger zusammenband.
Die Wirkung von raffiniertem Kokain ist eine deutlich andere als beim Kauen von Kokablättern. Sie ist wirklich aufputschend, lässt aber auch schneller wieder nach; beim Crack geradezu plötzlich. Durch das Verlangen nach weiterem Hochgefühl entsteht die Sucht. Kokain wirkt also eher anregend und nicht so betäubend wie Opium. Die Steigerung des Selbstwertgefühls mag dem entsprechen, was man verspürt, wenn man eine gewisse Menge Alkohol getrunken hat.
Zahlenangaben in dem höchst illegalen Drogengeschäft sind kaum zuverlässig. Die
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