Die Weltgeschichte der Pflanzen
ist vor allem in Sibirien ein Rauschmittel der Schamanen, zu deren Praxis es überall gehörte, mithilfe von Drogen und sonstigen psychoaktiven Substanzen Bewusstseinsveränderungen herbeizuführen, die als Jenseitserfahrungen oder Kontakte mit der Geister- oder Götterwelt gedeutetwurden. Auch die bekannten »Medizinmänner« der Indianer übten solche schamanistischen Praktiken aus. Ein profundes Pflanzenwissen war dafür Voraussetzung, und die Einnahme der Mittel war meistens ritualisiert und dadurch einigermaßen kontrolliert. Die Medizinmänner gingen nicht zum Vergnügen auf diesen Trip, wie die heutigen hedonistischen Drogenkonsumenten, sondern weil sie eine für ihren Stamm wichtige kultische Aufgabe zu erfüllen hatten.
Mutterkorn
Bis ins 20. Jahrhundert hinein starben Menschen an einer rätselhaften schmerzhaft brennenden Krankheit, dem »Antoniusfeuer«. Auf der Haut bildeten sich schwarze Flecken. Sie waren nicht durchblutet. Finger, Zehen, Hände und Füße konnten absterben. Auch hier waren, wie wir heute wissen, Durchblutungsstörungen die Ursache. Im Mittelalter trat die Krankheit oft regional auf und befiel viele Menschen gleichzeitig wie eine Seuche. Die Ursachen waren vollkommen rätselhaft. Der Antoniterorden, eine Laienbruderschaft, kümmerte sich in vielen Spitälern um die Pflege der Erkrankten. Der weltberühmte Isenheimer Altar wurde von Matthias Grünewald für eines dieser Antoniterspitäler in Isenheim im Elsass gemalt. Isenheim gehört heute zu Colmar, wo der Altar im Musée Unterlinden aufgestellt ist. Der große Wandelaltar, dessen Hauptbild eine düstere Kreuzigungsszene zeigt, ist eine grandiose christliche Meditation über Tod und Wiederauferstehung. Auf der dritten Schauseite mit der Versuchung des heiligen Antonius ist ein an Mutterkorn erkrankter Bauer zu sehen.
Erst im 17. Jahrhundert erkannte man den Zusammenhang mit vergiftetem Getreide. Die schwer erkrankten Menschen, vorwiegend Arme, hatten, besonders in Zeiten der Not, vom Mutterkorn befallenes Getreide gegessen.
Vor allem Roggen wird vom Mutterkorn befallen, einem Pilz, der in den Fruchtknoten von Gräsern lebt und das pflanzliche Gewebeverzehrt. (Alle Getreide sind »Gräser«.) Das Dauerstadium ist das Mutterkorn. Es enthält giftige Alkaloide, die zu Krämpfen, Halluzinationen und zu schlimmen körperlichen Folgen bis hin zum Tod führen. Doch es gibt auch medizinische Anwendungen, etwa bei Migräne; ein Inhaltsstoff wirkt sehr spezifisch auf die Gebärmuttermuskulatur und führt zu Wehen. Damit leitete man früher Abtreibungen ein; daher kommt auch der Name.
Besonders giftig wirkt vom Mutterkorn befallenes Getreide, wenn es roh verzehrt wird wie im Getreidebrei, einem der mittelalterlichen Grundnahrungsmittel. Heute wird Getreide vor dem Mahlen gereinigt, weshalb Vergiftungen selten sind und nur gelegentlich bei Bio-Getreide vorkommen.
Aus Mutterkorn kann Lysergsäure gewonnen werden. Diese wurde 1938 von dem Schweizer Chemiker Albert Hofmann erstmals synthetisiert, künstlich hergestellt und unter dem Kürzel LSD bekannt. Man suchte damals bei der Pharmafirma Sandoz nach kreislaufanregenden Mitteln und experimentierte systematisch mit verschiedenen Abwandlungen der Lysergsäure, konnte aber keine signifikanten Wirkungen feststellen. Die halluzinogene Wirkung entdeckte Hofmann erst fünf Jahre später in einer Art unfreiwilligem Selbstversuch, weil er LSD im Labor zunächst versehentlich und später zu Testzwecken bewusst in einer etwas größeren Dosis zu sich genommen hatte. Daraufhin schaffte er es vor lauter Schwindel und Verwirrung gerade noch mit dem Fahrrad nach Hause. Dort überließ er sich einige Stunden lang den Halluzinationen. Der bedeutende Chemiker starb 2008 im Alter von 102 Jahren. LSD ist eine der stärksten synthetischen Rauschgiftdrogen.
Peyote
Peyote von aztekisch peyotl ist eine Kakteenart ( Lophophora williamsii ). Der knollig auf kargem Boden wachsende Peyote-Kaktus kommt hauptsächlich im texanisch-mexikanischen Grenzgebiet vor.
Die Pflanze enthält neben vielen anderen Alkaloiden das Meskalin. Dessen Einnahme führt zunächst zu starker Übelkeit, dann stellen sich starke Halluzinationen, überscharfe Wahrnehmung und Glücksgefühle ein. Die Wirkung ist ähnlich wie beim LSD . Beide Drogen spielten in der Zeit der Jugend- und Studentenbewegung der Sechziger- und Siebzigerjahre eine Rolle.
Kurioserweise bildete sich im 19. Jahrhundert bei nordamerikanischen Indianerstämmen eine Art
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