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Die Weltgeschichte der Pflanzen

Die Weltgeschichte der Pflanzen

Titel: Die Weltgeschichte der Pflanzen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Seidel
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der Ansteckung direkt durch die Luft war noch im 19. Jahrhundert allgemein akzeptiertes medizinisches »Wissen«.
    »Räuchern« oder »ausräuchern« waren daher fester und weit verbreiteter Bestandteil der vorwissenschaftlichen medizinischen Praxis, die Verwendung angenehm duftender Kräuter und sonstiger aromatischer Räuchermittel eine Sache gehobenen Lebensstils – und der Herrscherverehrung: Im Orient wie im alten Rom wurden Könige und Kaiser »beweihräuchert«.
    Man verband Räuchern mit Reinigung, und seit uralter Zeit gehören Reinigungsrituale zur kultischen Praxis. Vor der Gottheit sollte man rein erscheinen. Auch die Räume der Gottesverehrung sollten rein sein und – man kann es nachvollziehen – nicht stinken. Daher verwendete man vielerorts verschiedene Räuchermittel wie getrocknete Kräuter, duftende Pflanzen, Harze und aromatische Hölzer, um ein angenehmes Raumklima zu schaffen. Und in der Tat haben viele Harze eine desinfizierende und heilende Wirkung. Außerdem verbrennen sie nur langsam, im Gegensatz zu Kräutern.
    Im Totenkult, eine der zentralen religiösen Sphären überhaupt, spielten Räuchergaben ebenfalls in vielen Kulturen eine Rolle.
    Noch Anfang des 19. Jahrhunderts glaubte man, Parfüm würde sich wie Rauch verflüchtigen. Das Wort »Parfüm« kommt von lateinisch fumare und bedeutet eigentlich »durchräuchern«; da es sich dabei um Wohlgerüche handelt, mit der positiven Bedeutung »durchduften«.
    Eines der begehrtesten Räuchermittel war seit sehr alter Zeit das Harz von Boswellia sacra . Das Balsamstaudengewächs kommt bis heute fast nur in seiner botanischen Heimat rund um den Jemen vor, im Süden Arabiens und an der gegenüberliegenden afrikanischen Küste. Das deutsche Wort »Weihrauch« bedeutet »heiliger Rauch«.
    Im Süden der Arabischen Halbinsel sind die dünnen, knorrigen Bäumchen mit schütterer Krone nicht leicht zu finden. Sie wachsen in abgelegenen Gebirgswadis an trockenen Hängen. Das Habitat darf nicht zu feucht und nicht zu trocken und nicht zu hoch gelegen sein. Boswellia sacra ist ein kapriziöses, eigenwilliges Gewächs, das sich nicht kultivieren lässt. Deswegen war und ist Weihrauch rar, und weil er so begehrt war, wurde er »mit Gold aufgewogen«. Auch daraus wird klar, warum das Geschenk der Weisen aus dem Morgenland, die im Mittelalter dann die »Heiligen Drei Könige« genannt wurden, so überaus wertvoll war: Gold, Weihrauch und Myrrhe sind symbolhafte Verweise sowohl auf die herrscherliche wie auf die heilige oder priesterliche Funktion des neugeborenen Kindes.
    Wie bei der Gewinnung von anderen Harzen wird die Rinde eingeschnitten, aus der ein milchiger Saft austritt, der sich erhärtet. Nach zwei bis drei Wochen erfolgt der nächste Schnitt, und erst ab dem dritten Schnitt erhält man gute Qualitäten. Ein Baum kann bis zu zehn Kilogramm Harz pro Jahr liefern, das nach dem Trocknen bernsteinfarbene, gummiartige, meist rosinenförmige Stückchen bildet. Mindere Qualitäten werden auch zum Verbrennen verwendet, vermischt mit anderen Duftstoffen wie Sandelholz, Moschus und Myrrhe.
    Die Gegenden, wo Weihrauch geerntet wird, befinden sich auch heute noch in der Hand von Clans, die die mühsame Weihrauchernte wie vor Tausenden von Jahren organisieren. Wegen des schnellen Wandels der modernen Welt sind die Weihrauchbaumbestände und das Weihrauchgeschäft in den letzten beiden Jahrzehnten stark zurückgegangen. Die jahrtausendelang unveränderte Welt im Süden der Arabischen Halbinsel modernisiert sich rapide, gerade in Oman; es gibt andere, attraktivere Erwerbsquellen als die mühsame Harzernte.
    Weihrauchharz wurde seit frühbiblischer Zeit nicht nur in den Nahen Osten oder später nach Rom und anschließend ins christliche Abendland exportiert, sondern auch nach Indien und China. Es war an den dortigen Fürsten- und Kaiserhöfen sehr begehrt. Berühmt ist die von der ägyptischen Pharaonin Hatschesput (sie regierte circa 1480 bis 1450 v. Chr.) befohlene Expedition in das Land Punt, eine groß angelegte Einkaufstour zum Erwerb von Gold, Weihrauch, Myrrhe, Zedern- und Ebenholz. Sie ist auf Reliefs in ihrem Totentempel ausführlich dargestellt. Dort sieht man sogar, wie kleine Boswellia -Bäume als Topfpflanzen nach Ägypten abtransportiert wurden. Über die genaue Lage dieses sagenhaften Punt streiten sich die Gelehrten, es wird überwiegend am Horn von Afrika vermutet.
    In der Antike waren der Jemen und das dem Horn von Afrika

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