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Die Weltgeschichte der Pflanzen

Die Weltgeschichte der Pflanzen

Titel: Die Weltgeschichte der Pflanzen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Seidel
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dem Ersten Weltkrieg als gewohnheitsmäßige Sauerkrautvielesser und nannten sie daher »Krauts«, nicht ahnend, dass bei ihren Verbündeten in Polen und Osteuropa noch mehr Sauerkraut gegessen wurde. Die Amerikaner übernahmen dieses Klischee, und in einer berühmten Karikatur aus den Sechzigerjahren wird ein VW -Käfer-Fahrer von einem amerikanischen Tankwart gefragt: »Was tanken der Herr? Benzin, Super oder Sauerkrautsaft?«
    In Deutschland werden heute rund 50 Prozent aller Anbauflächen von Freilandgemüse für Kohlsorten genutzt. Daraus jedoch zu schließen, Kohl sei »typisch deutsch«, ist ein reines Klischee. Brokkoli und Blumenkohl sind ebenso selbstverständlicher Bestandteil der mediterranen Küche wie Rosenkohl und Sauerkraut der westeuropäischen – einschließlich der französischen. In Küchen der osteuropäischen Länder spielt Kohl eine noch bedeutendere Rolle, etwa als Hauptzutat im Borschtsch. Gleiches gilt für die asiatische Küche. Der Chinakohl ( Brassica rapa pekinensis ) entstand nach der Zeitenwende in China als Kreuzung der Speiserübe mit Senfkohl und wurde erst im 20. Jahrhundert in Europa bekannt.
    Während Polen der größte Kohlerzeuger in der EU ist, wird in Südamerika sehr viel Brokkoli gegessen. Und in Ägypten wird mehr Weißkohl angebaut als in Deutschland. Kohl oder »Kraut« ist also keine deutsche Angelegenheit, sondern eine Gemüsepflanze mit wahrhaft weltwirtschaftlicher Bedeutung. Denn nach der Tomate ist Kohl das am meisten angebaute Gemüse der Welt.
Rettich, Meerrettich, Radieschen, Kresse
    Eine andere Gattung innerhalb der gleichen großen Pflanzenfamilie der Kreuzblütengewächse ( Brassicaceae ) sind die verschiedenen Rhaphanus -Arten: Gartenrettich und Radieschen. Ihre deutliche Schärfe erhalten sie vom gleichen Senföl, das (in geringerer Konzentration) im Kohl enthalten ist. Die Schärfe erzeugt das Senfölglykosid, das beim Aufschneiden, Reiben oder Anbeißen entsteht.
    Rettiche stammen aus dem Nahen Osten und sind alte Kulturpflanzen seit der Frühantike. Am nächsten an der lateinischen Namensherkunft radix (»Wurzel«) ist »Radies(chen)«; aber auch »Rettich« ist eine Abwandlung von radix . Auch wenn man sie früher »Wurzel« ( radix ) nannte und sich davon die Wörter ableiten: Botanisch korrekt werden nicht die Wurzeln gegessen, sondern eine Speicherknolle. Die Wurzeln hängen an der Speicherknolle dran.
    Die botanische Heimat des Meerrettichs ( Armoracia rusticana ) ist das nördliche Schwarzmeergebiet, die der Gartenkresse ( Lepidium sativum ) liegt wohl in Zentralasien. Auch sie verdanken ihre Schärfe dem enthaltenen Senföl.

Für ein Linsengericht
Linse
    In der alttestamentarischen Geschichte von dem Linsengericht (Genesis 25) geht es um die Regelung einer Machtfrage: Wer soll der nächste Stammesführer der Sippe Abrahams sein? Sie wird mit einem Täuschungsmanöver entschieden. Der natürliche »Thronanwärter« ist der geringfügig ältere Zwilling Esau vor dem Zweitgeborenen Jakob. Beide sind die Enkel Abrahams, des Erzvaters des Volkes Israel. Ihr Vater Isaak, mittlerweile ein blinder Greis, liegt im Sterben. Sein Segen entscheidet über die künftige Stammesführerschaft.
    Jakob, »der bei den Zelten blieb«, also ein Hirte oder Hüter des Viehs, ist der bei Weitem Intelligentere und Begabtere. Als Esau, »ein tüchtiger Jäger« und »Mann der Steppe«, eines Tages erschöpft von der Jagd heimkommt, ist er so heißhungrig, dass er Jakob sein Erstgeburtsrecht abtritt, wenn er dafür nur schnell genug etwas zu essen bekommt. Esau tut den verlangten Schwur. In der Bibel heißt es: »Darauf gab Jakob dem Esau die Speise; es war ein Linsengericht. So gering schätzte Esau das Recht der Erstgeburt.«
    Linsen zählen zu den ältesten Nutzpflanzen und wurden von Anfang an agrarmäßig angebaut, als die Menschen im Fruchtbaren Halbmond Vorderasiens erstmals als Ackerbauern sesshaft wurden. Aus der Wildpflanze wurde dort mit Sicherheit vor 7000 v. Chr. eine Kulturpflanze. Linsen sind die Samen der Pflanze Lens culinaris , die man wie Bohnen und Erbsen aus den Hülsen herauspult. Diese Schmetterlingsblütler liefern hochwertiges pflanzliches Eiweiß (Protein).
    Der berühmten biblischen Episode kann man ohne Zweifel entnehmen, dass Linsen schon früh eine weit verbreitete Alltäglichkeit darstellten. Für sein Erstgeburtsrecht hätte sich Esau wenigstens ein »besseres« Essen vorsetzen lassen können, so der empörte Unterton der

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