Die Weltgeschichte der Pflanzen
hundert Jahre lang bewahren, bis es 1592 durch Verrat in Holland bekannt wurde. Umgehend rüsteten die Holländer Schiffe aus, wofür sie eigens Kaufmannskompanien gründeten. Innerhalb weniger Jahre wurden 65 Schiffe ausgerüstet und in 15 Flotten nach »Ostindien« gesandt. Das Geschäft war hochriskant. Im Indischen Ozean und im Atlantik erwartete die Seeleute das Sperrfeuer der Portugiesen, Araber und Spanier. Wetter und Piraten taten ein Übriges, außerdem bekriegten sich die Kompanien untereinander. Dennoch kehrten erstaunliche 50 holländische Schiffe voll beladen zurück.
Unter diesem Druck entstand in den Niederlanden die »Vereinigte Ostindische Companie« ( VOC ), die erste Aktiengesellschaft der Welt, ein wenig nach dem Vorbild der britischen East India Company ( BEC ), die aber keine private Aktiengesellschaft war, sondern eher eine Art Staatsunternehmen. Beiden wurden nach und nach hoheitliche Rechte übertragen, zum Beispiel die Gerichtsbarkeit, Militärgewalt, Münzrechte, das Recht zum Festungsbau oder das Recht, völkerrechtlich bindende Verträge zu schließen. VOC und BEC führten sich in ihren jeweiligen Einflusssphären wie Besatzungsmächte auf. Die Holländer verdrängten die Portugiesen mit militärischer Gewalt in vielen Schlachten und übernahmen die größten Teile von deren Stützpunkten und Besitzungen in West-Indien, Malakka, den Molukken und sogar bis hinauf nach Japan. Das verstanden die Holländer unter »Ostindien«. Die Engländer setzten sich vorerst in Bengalen fest, also im Osten des indischen Subkontinents, mit der Hauptstadt Kalkutta.
Für lange Zeit hatten die Niederländer nun den Gewürzhandel sowie den Handel mit China und Japan fest im Griff. Ihr Hauptstützpunkt wurde das von ihnen gegründete Batavia auf Sumatra (heute die indonesische Hauptstadt Jakarta). Ende 1799 musste der niederländische Staat die durch Misswirtschaft insolvent gewordene VOC auffangen. Dafür übernahm der Staat deren überseeische Besitzungen, die als niederländisches Kolonialreich bis 1942 weitergeführt wurden. (1942 mussten die Niederländer gegenüber den erobernden Japanern kapitulieren, die ihrerseits 1945 gegenüber den Amerikanern kapitulierten. 1945 wurde Indonesien unabhängig.)
Zur Gründungszeit Batavias (1620) machte allein der Pfeffer über 50 Prozent der Exporte der VOC aus, andere molukkische Gewürze knapp 20 Prozent. Die Zahlen zeigen die wirklich enorme Bedeutung des Gewürzhandels; sie dürften in portugiesischer Zeit ähnlich, vielleicht noch mehr auf dem Gewürzhandel gelegen haben. Der Handel bescherte den Anteilseignern der VOC jahrzehntelang zweistellige Dividenden und einen stetig steigendenAktienkurs. Es war das Gouden Eeuw , das Goldene Zeitalter der Niederlande, die Epoche von Rembrandt, Frans Hals und Vermeer. Die bekannten Gruppenporträts von Rembrandt und Hals geben eine Anschauung davon, wie man sich die Akteure und Profiteure jener Epoche vorstellen mag.
Ohne sich mengenmäßig zu verringern, sank der Anteil der Gewürze am Geschäftsvolumen der VOC allmählich ab. Sie erweiterte ihre Produktpalette. Die Holländer begannen insbesondere damit, auf Java Kaffee anzupflanzen, der Teehandel aus China gewann für die VOC große Bedeutung. (Dieses Monopol übernahmen später die Engländer.)
Die Pfeffer-Geschichte ist also wirklich große Weltgeschichte. Die Suche nach dem Pfeffer hat das europäische koloniale Ausgreifen über die ganze Welt initiiert. Diese Pflanze hat in der Tat die Welt bewegt.
Muskatnuss
Solange die Muskatfrucht am Muskatnussbaum hängt, ähnelt sie einem kleinen Pfirsich oder der Walnuss, wenn diese noch von ihrer Fruchtfleischhülle umgeben ist. Die botanische Heimat sind die Banda-Inseln. Lange Zeit wuchs sie nur dort auf den kleinsten der Gewürzinseln. Bis 1770 konnten die Holländer dieses eifersüchtig bewachte Monopol bewahren. Der in der Frucht enthaltene Samenkern ist die sogenannte Muskatnuss. Der Mantel um diesen Kern wird Macis, Muskatblüte, genannt und gemahlen ebenfalls als Gewürz verwendet. Träger der verschiedenen Duft- und Würzstoffe ist wiederum ein ätherisches Öl.
Anders als Pfeffer und Zimt war die Muskatnuss in der europäischen Antike unbekannt. Erste Muskatnüsse tauchten wohl erst in der Kreuzfahrerzeit in Europa auf, nachdem sie im Verlauf des ersten Jahrtausends bis an die Levanteküste gehandelt worden waren.
Den Muskatnusshandel gibt es also aus europäischer Sicht erstseit wenigen hundert Jahren, aber
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