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Die Weltgeschichte der Pflanzen

Die Weltgeschichte der Pflanzen

Titel: Die Weltgeschichte der Pflanzen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Seidel
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Aufkommen der Städte etablierten sich die Stadtbrauereien. Ihr Betrieb lag in den Händen von Bürgern, die entsprechende Brauereiprivilegien besaßen. Das gilt vor allem für Nord- und Mitteldeutschland, wogegen in Süddeutschland, auch in Bayern, seit der Römerzeit und während des Mittelalters bis in die Aufklärungszeit hauptsächlich Wein angebaut und getrunken wurde. Das änderte sich erst nach dem Dreißigjährigen Krieg durch die damals deutlich spürbare Klimaverschlechterung der »Kleinen Eiszeit«. Dort spielten dann die Klosterbrauereien eine bedeutsame Rolle, da sie sozusagen die Rückzugsgebiete der Braukunst gewesen waren.
    Im Norden hatten die Städte schon früher diese Rolle übernommen. Deshalb tragen nord- und mitteldeutsche Biere oft Städtenamen (Flensburger, Radeberger), süddeutsche häufig die Namen von Klosterorden (Augustiner, Paulaner, Franziskaner) oder die Namen von Klöstern (Andechser). Daneben haben sich die Namen von fürstlichen Braustätten erhalten (Hofbräu, Stuttgarter Hofbräu, Würzburger Hofbräu).
    Im Mittelalter würzte man das damalige Biergebräu mit allerlei Zusätzen von Rinden, Kräutern, Wurzeln und Honig. Stets ging es dabei um die Verbesserung des Geschmacks und der Haltbarkeit. Der Gagelstrauch, in Nordwesteuropa weit verbreitet, war jahrhundertelang der gängigste Bierzusatz. Ein anderer Begriff dafür war »Gruter«, daher gibt es im Deutschen Familiennamen wie Greuter oder Gruyter. Gagel und das »Hexenkraut« Bilsenkraut wurden aber in der Renaissancezeit für das Bierbrauen wegen der Risiken und Nebenwirkungen nach und nach verboten. Man hatte erkannt, dass viele Todesfälle auf diese Zusätze zurückzuführen waren. Das berühmte Reinheitsgebot (»Nur hophin, malcz und wasser«) war in erster Linie ein Verbot des Bilsenkrauts.
    Wohl nicht zufällig entstanden die berühmten Reinheitsgebote gerade in dieser Zeit. Das vielzitierte herzoglich-bayerische von 1516 war keineswegs das erste, aber es ist dasjenige, dessen Gültigkeit bis heute besteht; seit 1919 für ganz Deutschland.
    So setzte sich der Hopfen durch, und mit ihm das »Bier«. Mitdem neuen Wort waren nun nur noch die gehopften Biere gemeint, und da diese alsbald überwogen, geriet das alte ale/aluf -Wort in der deutschen Sprache in Vergessenheit.
    Die Zugabe von Hopfen war demnach die Bierrevolution schlechthin. Nichts, was vorher zusammengebraut wurde, würde man heute unter geschmacklichem Gesichtspunkt als Bier bezeichnen, insofern hat diese sprachliche Entwicklung auch im Nachhinein ihre Richtigkeit und Wichtigkeit, und sie zeigt, dass dieser Unterschied schon damals als tiefgreifender Einschnitt empfunden wurde.
    Die Herleitung von »Bier« als Wort ist nicht eindeutig. Es könnte von lateinisch bibere (»trinken«), stammen, aber auch mit »Beutel« verwandt sein: Anknüpfungspunkt wäre dann »das Aufgeblasene«, nämlich der Bierschaum. Die naheliegendste, wenn auch nicht restlos geklärte Herleitung ist aber die von »brauen«. Hier ergeben sich sprachliche Zusammenhänge mit »Brot«, »Brei«, »Brühe« und »brodeln«: Die allen Begriffen gemeinsame Vorstellung ist das als gärender Teig oder bei Hitze Aufwallende.
    Gerste ( Hordeum vulgare ) ist wie alle anderen Getreide und weitere wichtige Nutzpflanzen wie Zuckerrohr oder Bambus ein Süßgras. Wo sonst kein anderes Getreide mehr wächst, konnte man immer noch Gerste anbauen, deswegen und wegen der Biernutzung ist sie eine historisch überragend wichtige Getreide- und Futterpflanze. Zum Brotbacken wurde sie jedoch von anderen Getreidearten, die mehr Kleber enthalten, nach und nach verdrängt.
    Für nichts ist die Gerste aber so bedeutend wie für das Bierbrauen. Dazu müssen die Körner zunächst zu Malz verarbeitet werden. Mälzer war früher ein eigener Beruf. Nicht überall, wo gebraut wird, wird auch gemälzt. Heute weniger denn je. Denn beim Mälzen entwickelt sich ein so durchdringender, anhaltender Geruch, dass dies innerhalb der Städte, wo durchaus noch die Brauereien stehen, nicht mehr geduldet wird. Heute wird das Malz aus der Mälzerei fertig angeliefert. Das Mälzen besteht ausfolgenden drei Schritten: Zunächst das Weichen der Körner durch Befeuchten, dann keimen diese einige Tage; das muss rechtzeitig unterbrochen werden, und das »Grünmalz« wird gedarrt (schonend getrocknet). Die in Wahrheit diffizilen Vorgänge beim Mälzen beeinflussen den späteren Biergeschmack. Das Malz kann zum Beispiel länger und stärker

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