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Die Weltreligionen. Vorgestellt von Arnulf Zitelmann

Titel: Die Weltreligionen. Vorgestellt von Arnulf Zitelmann Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Arnulf: Zitelmann
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Frömmigkeit, wie sie mir
     in Bubers Buch begegnete. So fand das lebendige Judentum wenigstens über das Papier seinen Weg zu mir.
    Mit Paulus beginnt das Neue Testament
    Eines hatte ich bei den Theologen auf der Universität in aller Gründlichkeit gelernt: die kritische Bibelwissenschaft, bei
     einem ihrer prominentesten Vertreter, Rudolf Bultmann, der mich in das Neue Testament einführte. Als »frommer Atheist« war
     es für mich eine Befreiung zu lernen, dass die Bibel nicht einfach vom Himmel gefallen war, wie beispielsweise Muhammads Koran.
     Das Neue Testament hatten Menschenhände geschrieben, seine Verfasser waren mit annähernder Sicherheit zu datieren. Ihre Lebenswelt
     erhellten archäologische Funde, zeitgenössische Literatur, genaue Sprach- und Stilanalyse. Ungewohnte Perspektiven taten sich
     auf.
    Wohl die Hälfte der neutestamentlichen Schriften schrieb Paulus, und seine Briefe führen zurück bis in das Jahr 50 unserer
     Zeit. Die meisten anderen Schriften entstanden dagegen erst eine oder gar zwei Generationen später, ebenso wie die »Evangelien«,
     die vom Wirken Jesu erzählen, der im Hebräischen Joschua ben Mirjam heißt. Würde man die Texte des Neuen Testaments nach ihren
     Entstehungsdaten sortieren, stünden die Evangelien von Matthäus, Markus, Lukas und Johannes irgendwo in der Mitte oder am
     Ende des Buches. Wollen wir also authentisch etwas über Jesus erfahren, müssen wir uns in erster Linie an Paulus halten und
     nicht an die Evangelien. Das erfordert radikales Umdenken, schmerzhaft obendrein, weil unser Jesusbild ganz und gar durch
     diese geprägt ist, nicht durch Paulus. Der wiederum konnte zu seinen Lebzeiten nicht ahnen, dass seine Schriften als heilig
     verehrt, zur Bibel werden würden.
    Paulus war ein Zeitgenosse von Jesus, vermutlich etwas jünger als dieser. |124| Sein Geburtsname war Saul, in latinisierter Form Paulus, so wie später aus Joschua der Name Jesus wurde. An der südöstlichen
     Mittelmeerküste der Türkei, wo heute Badestrände locken, lag Tarsus, der Geburtsort von Paulus. Er beherrschte darum das Griechische,
     die damalige Verkehrssprache. In Jerusalem studierte er Theologie und schloss sich dort der pharisäischen Bewegung an.
    Zwanzig Jahre später schreibt er einer Gemeinde in Galatien, der Gegend des heutigen Ankara, einen Brief, dem wir seine biografischen
     Daten entnehmen: »Früher hatte ich nach jüdischer Art gelebt, das wisst ihr. Und euch ist bekannt, dass ich damals die Gemeinde
     Gottes [die Christen] blindwütig verfolgte, um sie auszurotten. Die jüdische Lebensart nahm ich ernster als viele andere Gleichaltrige
     in meinem Volk, die Überlieferung meiner Väter ging mir über alles.« In einem anderen Schreiben stellt sich Paulus mit den
     Worten vor: »Ich bin beschnitten am achten Tag, gehöre zum Volk Israel, dem Stamm Benjamin, ein Hebräer von Hebräern. Und
     ich lebte nach den Gesetzen der |125| Pharisäer, war ein fanatischer Verfolger der Gemeinde, und den Forderungen der Tora bin ich in vollem Umfang nachgekommen.«
    |124|
    Paulus (Fresko, 4. Jahrhundert).
    |125| Paulus besitzt das römische Bürgerrecht, wie wir an anderer Stelle erfahren. Zweisprachig in der Diaspora außerhalb des Gelobten
     Landes aufgewachsen, treibt ihn sein Wissensdurst schließlich zum Studium in die Hauptstadt Jerusalem. Dort zeichnet er sich
     durch besonderen Eifer aus, weshalb ihn die jüdische Behörde mit einem besonderen Mandat ausstattet. Paulus soll gegen die
     damals noch junge und wenig geschlossene Jesus-Bewegung vorgehen. Im Auftrag welcher Behörde reist er? Schade, wir wissen
     es nicht. Offenbar sollte er draußen in der Provinz die Anhänger von Jesus ausfindig machen und vor Gericht stellen. Vor welches
     Gericht? Auch das entzieht sich unserer Kenntnis.
    Lukas, nach Auskunft der Überlieferung zeitweise dessen Begleiter, nennt Syrien und Damaskus als Schauplätze der Ermittlungstätigkeit.
     Die Ortsangaben machen Sinn, denn die Religionsbehörden haben offenbar die jesuanische Apostelgemeinde der Hauptstadt nie
     ernsthaft unter Druck gesetzt. Das ist erstaunlich. Vermutlich hielt man die Jesus-Anhänger der Hauptstadt für gute Juden,
     und ganz so verstanden sie sich auch. Schwierigkeiten machten die nichtjüdischen Christen, die so genannten Hellenisten.
    Der Jesus-Partei schlossen sich bald auch ausländische Juden an, die in der Diaspora geboren waren, und griechisch sprechende
     Nicht-Juden, die mit dem jüdischen Glauben

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