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Die Weltreligionen. Vorgestellt von Arnulf Zitelmann

Titel: Die Weltreligionen. Vorgestellt von Arnulf Zitelmann Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Arnulf: Zitelmann
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Gegenteil, von Jakobus, mit Namen »der Gerechte«,
     wusste man, dass er ganze Tage im Tempel auf den Knien verbrachte, wovon er sich Schwielen wie ein Kamel zugezogen haben sollte.
     Auch die Erwartung, dass Jesus der Messias sei, wird Paulus damals nicht aufgebracht haben. Solche Dinge lagen in der Luft.
     Irgendwie hatten alle Juden damals das Gefühl, es müsse bald etwas passieren, ein reinigendes Gewitter vom Himmel herab. Ganz
     allgemein hoffte man auf die Wiederkehr von Elia, dem Propheten. Andere dachten an Moses, und alle zählten die Tage bis zur
     großen apokalyptischen Wende.
    Die Strafaktion gegen die Christen hätte Paulus demnach abblasen können. Wenn da nicht diese Hellenisten gewesen wären! Juden
     aus der Diaspora, die sich der Jesus-Bewegung angeschlossen hatten. Sie zündelten, sorgten für Unruhe, stellten den Tempel
     infrage, die geheiligte Tora, noch schlimmer, sie betrieben aktiv Mission außerhalb von Palästina! Viele von ihnen zweifelten
     am Moses-Glauben, und der war doch Israels heiligstes Gut! Sogar die Leute um den Nazarener Jakobus betrachteten die Hellenisten
     mit eher gemischten Gefühlen. Sie gaben zwar der Gemeinde neuen Auftrieb, doch man musste auf der Hut sein! Hielten sich die
     Ausländer auch wirklich an die kultischen Reinheitsgesetze? Aßen sie Fleisch und Milch vielleicht durcheinander? Wie dachten
     sie über die Beschneidung? Man konnte nicht sicher sein. Jedenfalls scheint es in Jerusalem schon früh zu Spannungen zwischen
     Juden und Diaspora-Christen gekommen zu sein.
    Den Behörden müssen die christlichen Diaspora-Juden ein Dorn im Auge gewesen sein. Messianische Bewegungen waren bis dahin
     eine rein innerjüdische Sache gewesen, unvorstellbar, was passierte, wenn solche endzeitlichen Erwartungen aufs Ausland übergriffen!
     Von den Diaspora-Juden war Jerusalem auch finanziell abhängig. Also galt es, das Feuer auszutreten, bevor es sich zu einem
     Flächenbrand auswuchs. Und eben dazu hatte man den eifrigen Jung-Pharisäer |128| Paulus ausersehen, der sich mit den auswärtigen Verhältnissen ja bestens auskannte.
    Paulus erlebt sein Damaskus
    Doch es kam anders. Paulus war in einem Ermittlungsverfahren unterwegs nach Damaskus und wurde von einem mystisch-visionären
     Erlebnis überwältigt. »Gott offenbarte seinen Sohn an mir«, umschrieb er später diese Erfahrung, »damit ich Christus als Frohbotschaft
     unter den Völkern verkündete.« Eine Vision, eine Berufung, die Paulus mit den »Erscheinungen« des Gekreuzigten im Jerusalemer
     Jüngerkreis gleichstellte. Das war die Geburtsstunde des Christentums.
    Lukas fand die Berufung des Paulus so bedeutungsvoll, dass er sie in seiner »Apostelgeschichte« gleich drei Mal erwähnte,
     mirakulös ausgestaltet, wie er es wohl schon von seinen Gewährsleuten übernommen hatte:
    »Saulus (Paulus) aber schnaubte noch mit Drohen und Morden wider die Jünger des Herrn und ging zum Hohen Priester und bat
     um Briefe nach Damaskus an die Synagogen, auf dass, wenn er etliche von der neuen Lehre fände, Männer und Frauen, er sie gebunden
     führte nach Jerusalem. Und als er auf dem Wege war und nahe an Damaskus kam, umleuchtete ihn plötzlich ein Licht vom Himmel;
     und er fiel auf die Erde und hörte eine Stimme, die sprach zu ihm: Saul, Saul, was verfolgst du mich? Er aber sprach: Herr,
     wer bist du? Der Herr sprach: Ich bin Jesus, den du verfolgst. Stehe auf und gehe in die Stadt; da wird man dir sagen, was
     du tun sollst! Die Männer aber, die seine Gefährten waren, standen und waren erstarrt; denn sie hörten die Stimme, aber sahen
     niemand. Saulus aber richtete sich auf von der Erde; und als er die Augen auftat, sah er nichts. Sie nahmen ihn aber bei der
     Hand und führten ihn nach Damaskus; und er war drei Tage nicht sehend und aß und trank nicht.«
    In diesem Text haben wir das christliche Gegenstück zu Buddhas Predigt von Benares vor uns, der die Nirwana-Erfahrung Siddhartas
     zu Grunde liegt. Beides sind Wendepunkte in der Psychohistorie unserer Jahrtausende. Erlebnisse, welche die beiden Männer
     völlig umkrempelten, von beiden als unausweichliche, schicksalhafte Nötigung erfahren. »Von meiner Mutter Schoß an hat mich
     Gott ausgesondert«, schreibt Paulus später. Anders als in dieser Gewissheit hätte er seine Mission auch nicht ausführen können.
    »Geburtswehen« nannte er die mühsame Arbeit, seine Gemeinden in die Welt zu setzen. Gelegentlich spricht Paulus von den Widerständen,
    

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