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Die Weltreligionen. Vorgestellt von Arnulf Zitelmann

Titel: Die Weltreligionen. Vorgestellt von Arnulf Zitelmann Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Arnulf: Zitelmann
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Dichterling:
    »Beim Stern, wenn er entflogen, euer Stammesfreund hat nicht gelogen; nicht sagt er Unbedachtes, nicht spricht er selbst Erdachtes!
     Gelehrt hat’s ihm und kundgetan, dem starke Kräfte sind zu eigen, vor dem sich alle Mächte neigen. Himmelhoch hat er gestanden,
     wo sich des Himmels Ränder fanden, kam dort herzu, ihn zu bedrängen bis auf zwei kurze Bogenlängen. Seinem Diener klar zu
     offenbaren, Botenworte, die zu sagen waren. In seinem Herzen ist kein Vergehen! Er sah und spricht, was er gesehen. Wie könnt
     ihr beugen, was seine Augen ihm bezeugen?«
    Muhammad war in seinen besten Jahren, als ihn solche Visionen überkamen, und sie überkamen ihn so, dass ihm dabei Hören und
     Sehen verging. Eine Gestalt naht sich ihm, deren Größe die Himmelränder nicht fassen. Ist es Allah? Das konnte der Prophet
     später nicht so stehen lassen, denn dieser ist größer als dass der Himmel ihn umfassen könnte. So identifiziert er den Übergewaltigen
     als Gabriel, den Engel, der ihm fortan zwei Jahrzehnte lang die Worte des himmlischen Buches eingeben wird. Wieder zitiere
     ich Aisha, die »Mutter der Gläubigen«, die aus ihrer Erinnerung schildert, wie Muhammad sein erstes Berufungserlebnis erzählt
     hat. Ich gebe den Text in seiner ganzen Länge. Muhammad ist schließlich der einzige unter den Religionsstiftern, dessen Berufung
     wir aus der Nähe, gleichsam in Zeitlupe, nacherleben können:
    »Damals gab Allah ihm das Verlangen ein, sich in die Einsamkeit zu |166| begeben. Und er ging hinaus zu einer Höhle oben auf dem Berg Hira. In sie zog er sich mehrere Nächte zurück und verrichtete
     dort Andachtsübungen ... Bis die Wahrheit zu ihm kam, während er sich in der Höhle von Hira befand. Es kam der Engel zu ihm
     und sage: Lies! Ich sagte: Ich kann nicht lesen! So berichtete der Prophet: Da griff der Engel nach mir und presste mich bis
     zur Bewusstlosigkeit, ließ mich los und sagte: Lies! Ich sagte wieder: Ich kann nicht lesen! Da griff der Engel nach mir und
     presste mich ein zweites Mal bis zur Bewusstlosigkeit, ließ mich los und sagte: Lies! Ich sagte wieder: Ich kann nicht lesen!
     Da griff der Engel nach mir und presste mich zum dritten Mal bis zur Bewusstlosigkeit, ließ mich los und sagte: Trag vor in
     des Herrn Namen, der euch schuf aus blutigem Samen! Trag vor! Er ist der Geehrte, der durchs Schreibrohr lehrte, was noch
     kein Menschenohr hörte! Mit diesem Vers kehrte der Gesandte, Allahs Heil und Segen auf ihm, nach Mekka zurück und seine Schultern
     bebten. Da trat er bei Kadisha ein und sagte: Deckt mich zu! Deckt mich zu! Und sie deckten ihn zu, bis die Angst von ihm
     gewichen war. Und er sagte zu Kadisha: O Kadisha, was geschieht mir! Und er berichtete ihr, was ihm geschehen war. Und er
     sagte: Ich fürchte um mein Leben! Kadisha sagte: Nein, sei guten Muts, niemals würde dir Allah Böses tun! Du hältst deine
     Familie in Ordnung, sprichst ohne Lüge, du hilfst den Schwachen, gibst den Armen, du bist gastfrei und hilfst anderen aus!
     Kadisha verließ mit ihm das Haus und ging zu Waraqa ibn-Nawfal ibn-Asad, der war ein Sohn ihres väterlichen Onkels. Bevor
     der Islam kam, war der zu den Christen übergetreten. Er konnte arabisch schreiben und schrieb, solange Allah es wollte, aus
     dem Evangelium ins Arabische ab. Damals war er bereits ein alter Mann, der erblindet war. Kadisha sagte zu ihm: O Sohn meines
     Onkels, höre von dem Sohn deines Bruders, was er sagt! Waraqa ibn-Nawfal sagte: O Sohn meines Bruders, was für Nachrichten
     bringst du? Der Gesandte Allahs, Allahs Segen und Heil sei auf ihm, berichtete, was ihm geschehen war. Da sagte Waraqa zu
     ihm: Das ist die Botschaft, die dem Musa ibn-Imran (Moses) aufgetragen war! Wäre ich doch jung, wäre ich doch noch am Leben,
     wenn dein Stamm dich verstößt! Da sagte der Gesandte, Heil und Segen Allahs sei auf ihm: Werden sie mich verstoßen? Waraqa
     sagte: Kein Mensch brachte, was du bringst, und kam mit dem Leben davon!«
    Seine Gegner taten ihm Unrecht, wenn sie den Gesandten der Täuschung und Marktschreierei bezichtigten. Das beweist der Bericht
     mit klaren Worten. Muhammad war ein Überwältigter. Ähnlich traumatische Erlebnisse finden sich in vielen Kulturen der Menschheit.
     Gepresst bis zur Bewusstlosigkeit, so erleben die Schamanen des Polarkreises ihre Berufung, mit bebenden Schultern, |167| wie Jesaja, der Prophet im Tempel, widerstrebend, dann endlich aber einwilligend wie Luther, dem man das Wort

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