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Die Werte Der Modernen Welt Unter Beruecksichtigung Diverser Kleintiere

Die Werte Der Modernen Welt Unter Beruecksichtigung Diverser Kleintiere

Titel: Die Werte Der Modernen Welt Unter Beruecksichtigung Diverser Kleintiere Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marina Lewycka
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weiß, was als Nächstes kommt.
    »Kann ich auch ein Bebie haben?«
    »Ich glaube nicht ...«
    »Es macht ziemlich viel Arbeit!« Molly lacht, als sie mit der Anmut einer Tänzerin das Tablett herüberbringt, und ihre Locken fallen nach vorn, als sie die Kaffeekanne und die Tassen auf den niedrigen Couchtisch stellt. Wie hübsch sie ist, denkt Doro. Und wie angenehm es ist, in einem Alter zu sein, da man die Schönheit einer anderen Frau wertschätzen kann, ohne von Rivalitätsgefühlen gezwickt zu werden.
    »Ich bin fleißig«, sagt Oolie.
    »Schrrp ...«, gurgelt Flossie in den Tiefen des Schlafs.
    »Ich kann dir gar nicht sagen, wie dankbar wir Serge sind.« Molly streicht sich das Haar aus dem Gesicht, um den Kaffee einzuschenken. »Ohne ihn säßen wir jetzt auf der Straße.«
    »Wie meinst du das?«
    »Das Geld, das er uns geliehen hat, als wir fast zwangsvollstreckt wurden. Otto sagt, Serge ist mehr wie ein Bruder als ein Freund.«
    »Er hat euch Geld geliehen?«
    »Ja. Das klingt so überrascht!« Molly lächelt und rührt sich vier Löffel Zucker in den Tee. (Wie kann sie so viel Zucker nehmen, ohne dick zu werden?) »Er ist wirklich ein sehr netter Mensch.«
    »Ich weiß, dass er nett ist. Ich wusste nur nicht, dass er Geld hat.«
    »Na ja, ich schätze, die zahlen ganz gut in der Bankenwelt.«
    »In der Bankenwelt?« Doro versucht sich ihre Verwirrung nicht anmerken zu lassen. »Ja. Natürlich.«
    »Jedenfalls war es sehr nett, dass er uns geholfen hat.«
    »Mhm. Bei welcher Bank arbeitet er noch mal? Ich kann mir den Namen einfach nicht merken.« Doro gibt ein seniles Kichern von sich.
    »Eff – irgendwas mit F. Ich habe es auch vergessen«, lacht Molly.
    »Ich mag keinen Kaffee. Habt ihr keinen Tee?«, unterbricht Oolie mürrisch.
    »Du bleibst sitzen«, sagt Doro zu Molly und springt auf. »Ich mache das schon!«
    Sie ist froh, dass sie Molly und Oolie einen Moment den Rücken kehren kann, um sich zu sammeln. In der Zwischenzeit hört sie Oolie sagen: »Mum sagt, wenn ich brav bin, kann ich auch ein Bebie haben.«
    Sie wünscht, der eingebildete Mr. Clements mit seinen verdammten Fragebögen zu Oolies Persönlichkeitsentfaltung könnte das hören.
    »Wo habt ihr die Teebeutel?«, fragt sie.
    »Holst du den Busen noch mal raus?«, fragt Oolie.
    »Nicht jetzt. Im Schrank über der Spüle. Ich glaube, die Bank hieß FATCA. Sagt dir das was?«, sagt Molly.
    »Hast du keinen Süßstoff?«, fragt Oolie, die sich nach Mollys Vorbild vier Löffel Zucker in den Tee rührt. »Mum sagt, ich muss Süßstoff nehmen.«
    »Genau das war’s!«, sagt Doro.
    Erst als sie wieder im Zug nach Doncaster sitzen, merkt Doro, dass sie die gehäkelte Mütze in ihrer Tasche vergessen hat. Oolie schläft und schnarcht dabei mit leicht geöffnetem Mund.Serges Telefon ist immer noch abgestellt. Doro sieht zu, wie der Tag verschwindet und die Dämmerung sich über die vorbeirauschende Landschaft legt, die mit den Gefühlen all der anderen, früheren Reisen nach Norden gesättigt ist. Wie verrückt, wie aufregend ihre erste Fahrt gewesen war, damals im Jahr 1969.
    Wenn sie zurückblickt, was sie dieser Tage immer häufiger tut, fragt sie sich unwillkürlich, worum es ihnen damals eigentlich ging. Sie waren so zuversichtlich und selbstsicher; so überzeugt von der Richtigkeit ihrer Mission. Seitdem ist ihr ganzes Leben eine Reise zurück ins Ungewisse – von Gewissheit zu Zweifel; von Schwarz und Weiß zu den Grautönen; von straff zu ausgeleiert; von starr zu weich.

Serge
    Bye-bye, Beastie
    »Wachen Sie auf, Schlafmütze.«
    Über Serge steht eine Frau mit einer Tasse Tee – sie trägt einen flauschigen Bademantel und rosa Pantoffeln. In seinem weggetretenen Zustand braucht er einen Moment, bis er Juliette erkennt.
    »Oh, danke. Wie lange habe ich geschlafen?«
    »Es ist Samstagnachmittag. Geht es Ihnen besser?«
    »Samstag? Au Backe.«
    »Wie geht es Ihrer Nase, mein Lieber?« Sie nimmt sein Kinn in die Hand und dreht sein Gesicht zur Seite. »Tut es noch weh?«
    »Ein bisschen.«
    »Sie ist immer noch geschwollen. Vielleicht ein Haarriss.«
    »Ich muss los.«
    »Warten Sie, bis es Ihnen besser geht. Wir wollen nicht, dass Sie in der U-Bahn umkippen.«
    »Nein. Das ist wahr.«
    Er fühlt sich wacklig und seltsam weinerlich, und so sinkt er zurück auf das Sofa vor dem Fernseher, wo immer noch vom G20-Gipfel berichtet wird. Die Krise hat eine Horde von Instant-Experten hervorgebracht, die zungenschnalzend vom Amoklauf des

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