Die Werte Der Modernen Welt Unter Beruecksichtigung Diverser Kleintiere
schüttelt sich griesgrämig und gähnt. Sein Atem riecht nach ... Serge will lieber nicht darüber nachdenken. Dann klingelt es.
»Entschuldigen Sie mich, mein Lieber. Versuchen Sie ein bisschen zu schlafen.«
Beastie folgt ihr aus dem Zimmer.
Er hört eine Männerstimme auf dem Flur. Ist es ...? Er versucht zu lauschen, aber sie reden zu leise, als dass er sie bei dem Lärm von ›Xena die Kriegerprinzessin‹, die aus dem Fernseher plärrt, verstehen könnte. Die Tabletten lindern den Schmerz nicht, aber er fühlt sich müde. Ein paar Augenblicke später hört er das Knallen der Peitsche und das schreckliche schaudernde Stöhnen.
Eine allumfassende Schläfrigkeit hüllt ihn ein.Seltsam erfrischt springt er auf die Füße. Wie merkwürdig: seine Beine scheinen wieder zu funktionieren – und zwar zu 110 Prozent, und seine Schritte sind lang und federnd, als würde er auf dem Mond spazieren gehen. Wunderbarerweise hat er das iPhone noch in der Jackentasche. Er wird die Gelegenheit nicht verstreichen lassen. Er stellt die Kamerafunktion ein und schleicht sich auf den Flur.
Eine Tür ist angelehnt. Er drückt das Auge an den Spalt. Als er sich an die Dunkelheit gewöhnt hat, sieht er zwei Silhouetten im Zimmer: Juliette in pinken Leggings und schwarzen Stilettostiefeln breitbeinig über einem Mann stehend, der auf allen vieren am Boden kriecht – ein bulliger, muskelbepackter Mann, nackt bis auf einen Tanga mit Leopardenmuster. Sie trägt einen Leder-BH mit Nieten, der ihre Brüste zu anbetungswürdigen spitzen Kegeln presst, wie eine Kriegerprinzessin. Das Knallen der Peitsche zerreißt die Dunkelheit, und dem Mann entringt sich ein langes, schauderndes Stöhnen.
»Sag’s mir, du böser Junge, du!«, zischt Juliette. »Sag mir, was du angestellt hast!« Sie tritt den Mann mit ihrem Stöckelabsatz.
»Ich habe nichts Schlimmes getan, Herrin!«
»Du musst etwas angestellt haben, sonst wärst du nicht hier.«
Zack!
»Ich weiß nicht. Ich hab’s vergessen.«
»Ich hab’s vergessen, Herrin .«
Zack!
»Na gut! Ich habe ein unregistriertes Konto eröffnet. Ein Verbrechen ohne Opfer, Herrin!«
»Aber es bleibt ein Verbrechen, oder?«
Zack! Die Peitsche blitzt im Halbdunkel auf. Serge hält die Kamera hoch und knipst durch den Türspalt.
»Na gut, wir haben ein Finanzinstrument entwickelt«, ächzt der Mann auf dem Boden. »Wenn sich ein Weg auftut, Unmengenvon Geld zu scheffeln, wird ihn früher oder später irgendjemand einschlagen, oder? Da kann man nichts machen. Das ist die menschliche Natur.«
Zack!
»Sie sollten ein Gesetz dagegen erlassen. Diese nutzlosen Politiker. Völlig verblödet. Alle korrupt.«
Zack!
»Und das Finanzinstrument? War es böse?«
»Ich war’s nicht, ich kann nichts dafür! Die Regulierungsbehörde hätte uns aufhalten müssen. Sie können nicht mir die Schuld geben!« Er redet schnell, verschluckt sich an den Worten. Schaum bildet sich vor seinem Mund. »Wenn es kein Gesetz dagegen gibt, ist es doch klar, dass es jemand tut, oder?«
»Was tut, du Wurm?«
Zack!
»Einen riskanten Fonds gründen. Das Risiko auf die Investoren abschieben. Im Wissen, dass er platzen wird! Aaah!«
»Das ist schon besser. Und?«
Beastie schnüffelt aufgeregt an der Tür. Der Mann keucht, seine gekrümmten Schultern schaudern. Serge spürt, dass auch er schaudert.
»Ich habe eine Maschinenbaufabrik ausgelöscht! Aaah! Ich hab den kleinen Hamster meiner Schwester umgebracht!«
»Jetzt kommen wir endlich zum Punkt!«, schreit Juliette. »Und?«
»Ich habe meine Mum angelogen!«
Er sinkt zusammen, schluchzt hemmungslos.
Als er aufwacht, hat er immer noch Tränen in den Augen, und seine Nase tut weh.
Doro
Flossie
Am Samstagmorgen fahren Doro und Oolie nach Cambridge. Doro hat Serge noch nicht erreicht, aber sie hat das Handy dabei und versucht es weiter. Außerdem hat sie Mollys und Ottos Nummer aus dem Telefonbuch herausgesucht, weil sie später mit dem hübschen grün-weiß-violetten Mützchen bei ihnen vorbeifahren will, das sie selbst gehäkelt hat (in den Farben der Suffragetten).
Oolie sieht aus dem Zugfenster und sprudelt ihre jüngsten Ideen zum Brautjungfernkleid heraus, während draußen Felder, Bäume und anonyme Städte vorbeifliegen, das ganze Land feucht vom Novemberniesel. Doro streckt die Beine aus und schlägt den ›Guardian‹ auf, den sie am Bahnhof gekauft hat. Das Pfund fällt. Beim G20-Gipfel lassen sich die Staats- und Regierungschefs der Welt über die Rezession
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