Die Werte Der Modernen Welt Unter Beruecksichtigung Diverser Kleintiere
angezettelt hat?)
»Und Jason ist Carls Sohn«, erklärt Megan, indem sie einen roten Schirm ausschüttelt. »Erinnerst du dich an Carl?«
Doro erinnert sich an den mürrischen kleinen Jungen, der unterm Küchentisch Insekten ermordet hat; doch sie erinnert sich auch an das, was Janey gesagt hat.
»Er ist gestorben ...?«
»Eine Bombe am Straßenrand. In Helmand. Es stand in allen Zeitungen.« Trauer und ein Hauch von Stolz klingen in Megans Stimme mit. »Dabei wollte er gar nicht zur Armee. Er wollte zur Uni wie ihr alle. Er hat euch so gern beim Reden zugehört. Wisst ihr noch, wie er immer unter dem Tisch saß und zugehört hat? Aber an seiner Schule gab es keine Hochschulreife, und das weiterführende Kolleg hat nichts gebracht. Also ist er zur Armee. Sagte, er wollte die Welt sehen.« Sie lässt den Kopf sinken, und trotz des roten Lippenstifts und der Stöckelschuhe sieht sie plötzlich arm und alt aus.
»Er war ’n Kriegsheld«, sagt Jason.
Was für eine Schande. Was für eine schreckliche Verschwendung, denkt Doro.
»Kommt rein, ich mache uns einen Tee«, sagt sie.
Sie folgen ihr in die Küche. Die Reste des Mittagessens stehen noch auf dem Tisch.
»Setzt euch. Entschuldigt die Unordnung.«
»Erinnert ihr euch an den Dreck in der alten Villa?« Megan grinst, bis sie Doros Blick auffängt. »Tut mir leid. War nicht so gemeint.«
Doro beißt sich auf die Zunge. In der Haushaltsbrigade hat Megan damals nicht gerade an vorderster Front gekämpft. Wütend räumt Doro den Tisch ab, setzt Wasser auf und sucht nach Keksen, aber es sind keine da – Oolie muss ihren Geheimvorrat entdeckt haben.
Jason und Oolie haben sich ins Wohnzimmer verzogen und rangeln um die Fernbedienung.
»Magst du Russell Brand?«, hört sie Oolie fragen.
»Der sieht aus wie ’ne Tunte«, sagt Jason, »mit den langen fettigen Haaren.«
»Ich will mit ihm poppen.«
»Nur Spastis stehen auf Russell Brand.«
»Halt den Mund, Jason«, knurrt Megan.
»Apropos lange Haare, neulich sind wir Chris Howe begegnet«, sagt Marcus. »Erinnerst du dich noch an den?«
»War das der Typ, der immer seine Nudel raushängen ließ?« Megan lacht, dann wird sie still und sieht von Marcus zu Doro zu Clara.
Was ist da los? Doro fühlt sich unbehaglich. »Ich habe Janey Darkins bei Woolworth getroffen. Sie sagt, du wohnst jetzt in Elmfield.«
»Die blöde Gans. Je weniger ich von der zu sehen bekomme, desto besser.«
Diese Vehemenz überrascht Doro. Doch dann fällt es ihr wieder ein. Bruno.
»Hast du noch Kontakt zu Bruno?«
Megan zuckt die Schultern. »Er ist nach Italien zurück, oder?«
Doro gießt kochendes Wasser in die alte braune Teekanne und bemerkt, ohne aufzusehen: »Janey sagt, dass er nicht Oolie-Annas Vater ist.« Sie sagt es nebenbei, aber der Satz fällt wie ein Ziegelstein in einen Brunnen der Stille.
Clara sieht sich mit einem merkwürdigen Gesichtsausdruck um. Megan kramt in ihrer Handtasche und fischt ein Päckchen Marlboros und ein Plastikfeuerzeug heraus.
»Macht es was, wenn ich rauche?«
»Nein. Aber ...«
»Geht die blöde Gans nichts an, oder?« Sie inhaliert tief und atmet seufzend den Rauch aus.
Marcus sucht einen Aschenbecher und stellt ihn vor sie auf den Tisch. Doro glaubt, einen kurzen Blickaustausch zwischen ihm und Megan gesehen zu haben.
»Habt ihr keine Kekse?«, fragt Clara und stellt die Tassen und die Milchkanne auf den Tisch.
»Nein«, sagt Doro.
Schweigend schenkt sie Tee ein, als könnte ein Wort die angespannte Stimmung in der Küche zum Explodieren bringen. Megan beobachtet Oolie und Jason durch die offene Tür. Doro kann ihren Gesichtsausdruck nicht deuten.
Clara ruft: »Oolie, Jason, wollt ihr eine Tasse Tee?«
Sie kommen in die Küche, einander anrempelnd.
»Gibt’s keine Kekse?«, fragt Oolie.
»Irgendwer hat sie alle aufgefuttert«, sagt Doro. »Ich frage mich, wer das wohl gewesen sein könnte.«
»Der Hamster war’s«, sagt Oolie. »Ich hab’s gesehen. Der kleine Stinker.«
Doro lacht. Leute aufzuziehen ist auch etwas, das Oolie bei Edenthorpe gelernt hat. »Oolie, das ist so was von geschwindelt!«
»Wenn ich meine eigene Wohnung habe, will ich einen Hamster.«
»Sie bekommt eine eigene Wohnung?«, fragt Megan.
»Ja, weil’s Mr. Clemmins gesagt hat.«
»Wer ist Mr. Clemmins?«
»Mr. Clements ist der Sozialarbeiter«, sagt Doro. »Es steht noch zur Diskussion. Ich schätze, jetzt, wo du wieder da bist ...« Sie bricht ab. Ihr Herz schlägt wild. Jetzt, wo Megan wieder
Weitere Kostenlose Bücher