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Die Werte Der Modernen Welt Unter Beruecksichtigung Diverser Kleintiere

Die Werte Der Modernen Welt Unter Beruecksichtigung Diverser Kleintiere

Titel: Die Werte Der Modernen Welt Unter Beruecksichtigung Diverser Kleintiere Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marina Lewycka
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Moira.
    »Chris sagt, nur die Bourgeoisie kennt Eifersucht. Er sagt, dabei geht es um Besitz – dass man glaubt, man hätte das Recht, einen anderen Menschen zu besitzen.«
    »Das sagen Männer immer«, schnaubte Doro, die sich von Chris’ Offenheit anstecken ließ. »Aber denkst du auch so?«
    Chris zuckte die Schultern. »Den Kindern gefällt es hier.« Jetzt sah sie Doro direkt an. Ihre Augen waren braun und kuhartig, und etwas wässrig, als hätte sie geweint. »Sie haben mich gefragt, ob wir hierbleiben können.«
    Doro spürte, wie sie rot wurde. »Aber habt ihr nicht ... ich weiß nicht ... eine eigene Wohnung oder so was?«
    Ihr war bewusst, dass sie nicht sehr souverän reagierte.
    »Es ist so, wir sind rausgeflogen, weißt du ...«
    »Aus der Partei, das weiß ich. Aber da, wo ihr wohnt ...«
    »Wir haben in Tufnell Park gewohnt, zusammen mit ein paar Genossen vom Internationalen Arbeitersolidaritätskollektiv. Wir haben im Keller Treffen abgehalten. Aber dann gab es einen Streit über die Gesellschaftsordnung der Sowjetunion. Die anderen sagten, es wäre Staatskapitalismus, aber Chris hält es mit Posadas und bestand darauf, dass die Sowjetunion ein teilerneuerter deformierter Arbeiterstaat ist. Ich weiß nicht genau,was die Argumente waren, weil ich im Wohnzimmer war und mit den Kindern fernsah. Aber dann kam Chris reingestürmt und sagte, wir sind rausgeflogen.«
    »Oje!«
    In der Kommune hatten sie sich immer noch nicht ganz an Brunos Weggang nach dem Ende des Bergarbeiterstreiks gewöhnt, an die stille, geisterhafte Anwesenheit von Megan, die inzwischen sichtlich schwanger war, und an die störenden Wochenendbesuche von Knirschkarl. Würden sie es verkraften, neue Mitglieder aufzunehmen? Wahrscheinlich hätte Doro im Herzen die beiden Chrises sogar Megan und Carl vorgezogen, trotz ihrer abstrusen politischen Ansichten und ihrer schlurfenden immerhungrigen Kinder. Aber Megan zu bitten auszuziehen kam nicht in Frage – sie war Brunos Abschiedsgeschenk.
    Als die kleine schwarze Unterhose ein letztes Mal von der Wäscheleine verschwand, hatte Doro einen heftigen Verlustschmerz gespürt. Es war, als hätte Bruno Megan zurückgelassen, um sie alle daran zu erinnern, dass es in der Kommune nicht nur um freie Liebe ging, sondern vielmehr darum, füreinander da zu sein, vor allem für die, die am schwächsten und hilfsbedürftigsten waren. Ganz gleich wie sehr man sich bemüht, eine perfekte, sich selbst genügende Welt aufzubauen, es gibt immer noch Schwächere da draußen, die verzweifelt aufgenommen werden wollen. Man kann sie nicht abweisen, ohne sich von seinem besseren Ich abzuwenden. Letztendlich muss man dankbar dafür sein, dass man selbst nicht in ihrer Lage ist.
    »Ihr seid also irgendwie obdachlos?«
    »Irgendwie schon.«
    Doro sah Chris in die Augen und glaubte eine Träne dort schimmern zu sehen.
    »Ich weiß nicht, ob Jen wieder zurückkommt. Ich werde mal mit den anderen reden.«
    »Danke, Schwester«, sagte Chris.

Clara
    Daunsen-Trom
    »Daun-sind-rum. Daun-Sündrom. Daunsen-Trom.«
    Egal wie die neunjährige Clara die Worte anordnete, sie ergaben einfach keinen Sinn. Sie drückte das Ohr an die Tür und lauschte. Sie konnte das Schreien des neuen Babys hören und das Flüstern der Großen. Es war so anders als ihre Erinnerung an die Nacht, als Baby Serge nach Hause kam, oder die neugeborene Star, als die Korken knallten und gelacht wurde und Leute Blumensträuße brachten und gebrauchte Babysachen. Irgendwann öffnete Doro die Tür. Da saß Megan im Sessel, ein Busen hing ihr aus der Bluse. Sie sah erschöpft und dünn aus. Clara war nie aufgefallen, wie viele graue Haare sie hatte.
    »Komm und lern deine neue Schwester kennen, Clarie. Sie ist ein ganz besonderes kleines Mädchen.«
    Doro nahm sie an der Hand und führte sie ins Wohnzimmer, wo das Baby in tiefem Schlaf im Tragebettchen lag. Es sah gar nicht besonders aus, außer dass es niedlicher war als Baby Serge, der bei seiner Geburt schrecklich faltig und gelb gewesen war. Heimlich fand sie, dass Babys überschätzt wurden.
    »Sie hat Daunsen-Trom.«
    Clara sah Doro verständnislos an. Manchmal war das Zeug, das die Großen redeten, vollkommen unergründlich.
    »Sie hat ein Krummsumm mehr«, erklärte Nick Holliday, der aus der großen braunen Kanne Tee ausschenkte. Marcus, Moira Lafferty und Chris Watt waren auch da, zusammengequetschtauf dem alten roten Sofa. Es war eiskalt im Zimmer, trotz des Feuers im Kamin.
    »Schau mal, sie hat

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