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Die Werte Der Modernen Welt Unter Beruecksichtigung Diverser Kleintiere

Die Werte Der Modernen Welt Unter Beruecksichtigung Diverser Kleintiere

Titel: Die Werte Der Modernen Welt Unter Beruecksichtigung Diverser Kleintiere Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marina Lewycka
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Megan Cromer (heimlich), Moira Lafferty (lautstark) und Dorothy Marchmont (mit schlechtem Gewissen), um nur drei zu erwähnen (es gab bestimmt noch mehr) –, nicht im Sumpf der Eifersucht und der gegenseitigen Schuldzuweisungen zu versinken, sondern die Flamme der Erinnerung lebendig zu halten und zu seinem Gedächtnis die Kontakte mit den Bergarbeiterfrauen, die sie während des Streiks geknüpft hatten, zu vertiefen.
    Eines Märztages 1986, als Oolie ein paar Monate alt war, machten sie auf dem alten Matrizendrucker draußen im Klohäuschen (wo er gelandet war, nachdem sie das marxistische Studienzentrum zum Spielzimmer umfunktioniert hatten) zweihundert Kopien eines Flugblatts mit dem Titel »Wo stehen die Frauen?«, die sie in den Briefkästen der Prospects und der nahe gelegenen Straßen in Campsall, Norton und Askern verteilten und mit dem sie alle Frauen für den folgenden Sonntag um 14.00 Uhr zu einer Versammlung in Solidarity Hall einluden, um über die Unterdrückung der Frau zu sprechen.
    In Erwartung der Horden, die kommen würden, saugte Chris Watt Staub auf dem fadenscheinigen Teppich im Wohnzimmer, Doro brachte Stühle aus der Küche und stellte eine Vase mit Trockenblumen in den Kamin, um den Stapel alter Zeitungen, Pamphlete und anderer Papiere zu verbergen, die sich dort sammelten, und Moira Lafferty brachte drei nach Patschuli duftende Spiegelbrokat-Sitzkissen aus ihrem Zimmer nach unten und zündete ein Räucherstäbchen an, um den Geruch nach Feuchtigkeit und Mäusedreck zu überdecken. Megan war übers Wochenende zu ihrer Mutter und Knirschkarl nach Harworth gefahren, und auch wenn es niemand aussprach, war Doro überzeugt, dass sie nicht die Einzige war, die erleichtert aufatmete.
    Sie hatten die Haustür aufgelassen, doch alle drei sprangen auf, als es klingelte. Eine große, schlanke Person mit sonnengebräunter Haut, grünblauen Augen und kleinen goldenen Löckchen zögerte einen Moment auf der Schwelle und trat dann ins Wohnzimmer. Das Problem war nur, es war ein Mann.
    »Äh ... das hier ist eine Frauenversammlung«, erklärte Doro zögernd, denn er war wirklich bildschön und kam ihr außerdem vage bekannt vor – wo hatte sie ihn bloß schon mal gesehen?
    »Ich habe euer Flugblatt bekommen. ›Wo stehen die Frauen?‹ Das frage ich mich auch oft.« Auch seine Stimme klang vertraut.
    »Wir müssen die Antwort noch erarbeiten, deswegen treffen wir uns ja«, hauchte Moira errötend und fuhr sich mit der Zunge über die Lippen.
    Ihre Blicke tauchten ineinander.
    »Kann ich mitmachen?«
    »Auf keinen Fall!«, erklärte Chris Watt.
    »Na ja ... vielleicht doch?«, fragte Moira mit naiver Kleinmädchenstimme. »Ich meine, Männer und Frauen sinddoch irgendwie vereint, oder? Ich meine ... im Klassenkampf.«
    Die grünen Augen musterten sie interessiert, ihre geröteten Wangen und das rotbraune Haar.
    Sie kann es einfach nicht lassen, dachte Doro. Sie kann nicht mit einem Mann reden, ohne zu flirten. Der Gedanke ärgerte sie. »Ausgeschlossen. Nicht bei dieser Versammlung. Aber du kannst gern zu anderen Treffen kommen ...« Doro sah in die dunkel umrandete Tiefe seiner Augen und schlug die Beine übereinander, die lang, schlank und nackt waren. Moira Lafferty hatte den Busen, aber sie hatte schöne Beine – und einen straffen Hintern. »... zum Thema Antifaschismus vielleicht oder Solidarität mit Kuba.«
    Doch er starrte immer noch Moira an, die ihren gewohnten Geruch nach Patschuli, Zigarettenrauch und Körperflüssigkeiten verströmte, den manche Männer anscheinend unwiderstehlich fanden.
    »Oder du kommst zur marxistischen Studiengruppe«, ergänzte Chris Watt. »Weißt du, wir entwickeln eine neue Politik der Linken, die weder kommunistisch noch trotzkistisch ist, sondern auf der Idee von der Autonomie der Arbeiter beruht.«
    Der Ausdruck, der über sein Gesicht glitt, zeigte keine reine Begeisterung.
    Dann klingelte es wieder. »Hallo! Jemand zu Hause?«, rief eine schrille Frauenstimme.
    Die Person, zu der die Stimme gehörte, war eindeutig eine Frau, auch wenn Doro einen Moment brauchte, bis sie June Cox erkannte, eine der »Frauen gegen Zechenschließungen«, die während des Bergarbeiterstreiks mal hier gewesen war.
    »Und?« June ließ sich in den bequemsten Sessel fallen und angelte ein Päckchen Zigaretten aus der Tasche. »Was habt ihr beschlossen, Mädels?«
    »Das ist ein Nichtrau-«, begann Chris Watt naserümpfend, als sich der Rauch von Junes Zigarette zur blau

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