Die Werte Der Modernen Welt Unter Beruecksichtigung Diverser Kleintiere
gestrichenenDecke emporkräuselte, aber Doro trat ihr ans Schienbein. Wenn Proletarier rauchen wollten, wer waren sie, sie davon abzuhalten?
»Sie überlegen noch, ob ich bleiben darf«, sagte der Mann mit den grünen Augen. »Typisch Frauen. Können sich einfach nicht entscheiden.«
Jetzt funkelte Chris ihn an. »Danke für den Einblick in deinen unreflektierten Chauvinismus.«
»Zeig uns, was du in der Hose hast, Junge. Dann überlegen wir’s uns.« June blies eine Rauchwolke in seine Richtung, in der er kurzzeitig verschwand.
Seine Augen blitzten, und er griff tatsächlich an den Reißverschluss seiner Hose. Moira wirkte, als müsste sie sich zusammenreißen, um nicht loszustürzen und ihm zu Hilfe zu eilen. Doro schauderte – sie hatte einen Blick auf etwas unerfreulich grau und verschwitzt Aussehendes erhascht und hoffte, es war nur seine Unterhose.
»Schon gut, Junge! Das reicht! Mach wieder zu!«, bellte June, dann wandte sie sich an Doro und fragte leise: »Ist er da? Der mit den Spaghetti?«
Doro schüttelte den Kopf. June machte einen enttäuschtes Gesicht.
»Wir haben diese Versammlung einberufen, um über die Rolle der Frau zu diskutieren«, unterbrach Chris Watt. »Und um unsere Erfahrungen mit der Unterdrückung auszutauschen. Kannst du uns was davon erzählen, June?«
»Erfahrungen?« June schnippte einen langen Aschefinger in den Kamin, der das staubige Trockenblumengesteck noch staubiger machte. »Mein Mann Mickey war ’ne Erfahrung. Der kleine Mickey! ’n richtiges Turteltäubchen. Hat unten in Bevercotes gearbeitet. Jeden Mittwoch und Samstag haben wir’s getrieben, pünktlich wie aufn Topf. Wenn er in die Grube runter ist, hatte er immer meine Schlüpfer dabei, unter seiner Unterwäsche. Stand auf das Gefühl von meiner Seide an seinemSchniedel, wenn er untertage war – das erinnert ihn an mich, hat er gesagt. Hat sie auch angehabt an dem Tag, als er starb!« Sie seufzte und sah sich im Kreis der Augenpaare um.
»Hast du das nicht als Unterdrückung empfunden?«, fragte Chris.
Doro trat ihr wieder gegen das Schienbein.
»Steinschlag.« June studierte die schweigenden Gesichter ihres Publikums, dann zog sie eine frische Zigarette aus der Packung und zündete sie am glühenden Ende der letzten an, die sie in den Kamin warf. »Als er da auf der Krankenhaustrage lag, hat mein Herz wie ’n sterbender Fisch gebumpert, und ich werf mich auf die Bahre, und da macht er ein Auge auf und sagt: ›Weine nicht, Junie. Sie haben deine Unterhose gesehen. Aber Gott sei Dank hatte ich ja deinen BH nicht an.‹ Das waren die letzten Worte, die er gesprochen hat.«
Ein langes Schweigen entstand, das von einem unterdrückten Kichern gebrochen wurde – Doro wusste nicht, ob es von Moira oder dem Mann kam.
»Danke, June, dass du mit uns darüber geredet hast«, sagte Chris Watt. »Vielleicht sollten wir unsere Diskussion damit eröffnen, dass wir die Stereotypen der männlichen und der weiblichen Sexualität hinterfragen.«
Jemanden mit solchen Bulldozerqualitäten konnte man nur bewundern.
»Die redet viel, wenn der Tag lang ist«, flüsterte der Mann Moira zu, laut genug, dass es alle hörten. »Ihr Mickey ist quicklebendig und wohnt mit Dot O’Sullivan oben in Castleford.«
»Halt’s Maul und geh wieder zu deinen Milchflaschen«, knurrte June.
Jetzt starrte Doro ihn wieder an. Ja, es war der liebestolle Milchmann.
»Warum verpisst du dich nicht einfach?«, fuhr Chris Watt den Milchmann an, dann hob sie witternd die Nase.
Auch Doro schnüffelte. Eine beißende Rauchwolke war hereingezogen– kein Zigarettenrauch, sondern blauer, stechender Qualm. Er kam in Schwaden aus dem Kamin; im nächsten Moment verschluckte eine lodernde Flamme das Trockenblumengesteck.
»Hilfe! Hilfe!«, schrie Moira und sah sich in alle Richtungen um, aber hauptsächlich in Richtung des Milchmanns, der sich schon wieder an seinem Reißverschluss zu schaffen machte.
Doro begann mit einem Kissen auf die Flammen einzuschlagen, so wie es immer in den Ratgebern stand. Glühende Funken, von der Zugluft im Kamin angefacht, hatten bereits den Zeitungsstapel in Brand gesteckt.
»Ich hole Wasser!« Chris Watt rannte in die Küche, doch bis sie mit einem Krug zurückkam, hatte der Milchmann bereits die Hose offen und löschte das Feuer mit einem goldenen Urinstrahl.
»Wow! Das ist unglaublich!«, schnurrte Moira.
Doro nahm Chris den Krug aus der Hand und leerte ihn über Moiras Kopf.
Als alle weg waren, räumten Doro
Weitere Kostenlose Bücher