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Die Werte Der Modernen Welt Unter Beruecksichtigung Diverser Kleintiere

Die Werte Der Modernen Welt Unter Beruecksichtigung Diverser Kleintiere

Titel: Die Werte Der Modernen Welt Unter Beruecksichtigung Diverser Kleintiere Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marina Lewycka
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Lied!
    In jeder Notfalle
    bin ich deines Glückes Schmied.
    Wenn er die richtigen Worte finden kann, wenn er ihr den ultimativen Antrag macht, dann wird sie erkennen, dass er trotz seiner kleinen Statur und ironischen Art nicht nur ernstzunehmend, sondern auch fähig ist – der Mann, auf den sie ihr Leben lang gewartet hat, ohne es zu wissen, der Mann, der sie lieben und beschützen wird und der sie zum Lachen bringen wird.
    »Ich bin ...« Er zieht ihre Hand an seinen Mund und küsst die kleinen harten Knöchel. »... ich bin Serge.«
    Einen Moment schwillt seine Liebe an wie ein herzförmiger Heliumballon und steigt über ihnen auf, und Turteltauben flattern unter der Decke des Handelsraums. Dann lacht sie und zieht die Hand weg.
    »Du bist zu schummelig heute, Sergej.«
    »Wir könnten zusammen schummelig sein. Wir könnten lauter schummelige Babys bekommen.«
    Sie rollt die Augen auf diese Art, die er unwiderstehlich sexy findet. »Abnormale Dinge passiert auf Weltmarkt, Sergej. Timo hat kein Bedeutung, aber das hat Bedeutung. Congresshat gegen Bush-Plan gestimmt. Sehr interessante Situation. Dow Jones wird einbrechen. Von diese Position manche gewinnen und manche verlieren alles. Das müssen wir rausfinden. Gehen wir?«
    Bei Franco’s ist es laut und die Luft ist zum Schneiden. Es werden mehrere Partys auf einmal gefeiert. Eine Gruppe Trader, die im Post-Lehman-Massaker von großen Banken gefeuert wurden, ertränkt ihren Kummer, andere verpulvern ihre Abfindung, und die FATCA-Meute lässt sich zur Feier von Lucians Geburtstag mit Champagner volllaufen, während alle irgendeine Fernsehsendung verfolgen, in der erklärt wird, warum die weltweite Kreditschwemme ausgetrocknet ist und warum die großen Banken jetzt, da sie sich von den anderen nichts mehr leihen können, aufgehört haben, Kredite auszugeben, und eine nach der anderen zusammenbrechen. Tim the Finn scheint vollkommen vergessen, während alle fasziniert auf den Bildschirm starren, wo sich die Krise abspielt. Als Serge sich durch die Menge drängt, um zu den FATCA-Leuten zu stoßen, geht ironischer Jubel durch die Menge. Das US-Repräsentantenhaus hat soeben den Bush-Plan abgeschmettert und bestimmt, dass die Banken auf eigenen Füßen stehen müssen wie alle anderen auch. Werte, die sie alle für sicher gehalten hatten, Werte, die im boomenden Immobilienmarkt von Hypotheken gestützt wurden, Werte, die von Moody’s und Standard & Poor’s und Konsorten ein Triple A bekommen haben, sind plötzlich so porös und leicht wie Blätterteig. Ein Damm von faulen Krediten, durch (scheinbar) unendlich steigende Häuserpreise gestützt, ist gebrochen, und toxische Schulden fluten die Fundamente der Finanzinstitute auf der ganzen Welt. Wo wird das enden?
    »Happy Birthday, lieber Lucie!«, grölt jemand.
    »Danke, liebe Kunden!«, grölt ein anderer, als wieder eine Runde Korken knallt.
    Toby O’Toole drückt Serge ein Glas in die Hand, under kippt es herunter. Wow! Was war das? Berauscht von der eigenen Ruchlosigkeit haben die Quants angefangen, Wein und Bier und Schnaps in den Champagner zu mischen, zu immer bizarreren und widerlicheren bitzelnden Cocktails, nach dem Vorbild ihrer synthetischen Portfolios.
    »... Subprime-Hypothekenkredite ... Niedrigverdiener und Arbeitslose ... Anstieg der US-Zinsen von 1 auf 5,3 Prozent ... nie dagewesene Anzahl von geplatzten Krediten ... Einbruch der Immobilienpreise ... blablabla ...«, rattert der dünnlippige TV-Experte herunter.
    »Lieber Gott, gib uns noch ein Jahr, bevor alles den Bach runtergeht!«, betet jemand.
    »Und die Regulatoren über uns kommen!«
    Toby hebt das Glas, und Serge macht mit, trinkt auf all die Hoffnungslosen, die alles zusammengekratzt haben, um sich ihr Traumhaus zu kaufen, auf die Loser und Verschwender, die eigentlich nie einen Kredit hätten bekommen dürfen und die nun nicht mehr mit den Ratenzahlungen nachkommen (Überraschung!), und deren vielfach vervielfachte Verluste eine Goldgrube für sie alle hier waren.
    »Noch ein Jahr, noch eine Million!«, schreit einer der Trader, und alle jubeln.
    Serge sieht sich nach Maroushka um, will den transzendenten Moment mit ihr teilen, aber sie steht allein im Hintergrund, ohne zu trinken, und betrachtet den Bildschirm mit dunklem, eindringlichem Blick.

Doro
    Sex-Turnus
    Um elf stellt Doro den Fernseher aus und geht hoch ins Schlafzimmer, wo Marcus schon seit einer halben Stunde schläft. Wovon träumt er unter der dicken Decke, die sich mit

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