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Die Werte Der Modernen Welt Unter Beruecksichtigung Diverser Kleintiere

Die Werte Der Modernen Welt Unter Beruecksichtigung Diverser Kleintiere

Titel: Die Werte Der Modernen Welt Unter Beruecksichtigung Diverser Kleintiere Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marina Lewycka
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an einen leicht ausgefransten Paul Newman denken.
    »Ah, Mrs. Marchmont!«
    »Hallo, Stadtrat Loxley. Es ist wirklich nett von Ihnen, dass Sie uns Ihre wertvolle Zeit opfern«, gurrt sie. (Was redet sie da? Sollte sie nicht entschlossener auftreten?)
    »Ist mir ein Vergnügen. Ich habe einen Blick auf die Unterlagen geworfen.«
    »Und?«
    Sie haben die Anlage betreten und folgen dem Gitternetz der grasigen Wege durch die Parzellen.
    »Sie müssen bedenken, dass für die Stadt bei dem Verkauf ziemlich viel Geld auf dem Spiel steht ...«
    »Aber das können Sie doch nicht machen! Die Leute hier bewirtschaften die Gärten seit Jahren; sie ziehen Obst und Gemüse für ihre Familien!«
    »Es geht um grundlegende öffentliche Dienstleistungen, die finanziert werden müssen. Die Gemeinde kann es sich nicht leisten, eine wertvolle Ressource wie diese unterkapitalisiert zu lassen.«
    »Das ist keine Ressource, das ist ein Paradies!«
    Irgendwas läuft hier schief. Sie sollte ihm Informationen entlocken und sanfte Überzeugungsarbeit leisten, keine Predigt halten.
    »Ich lasse mich gern umstimmen«, sagt er, und seine Hand streift zufällig ihre.
    Sie führt ihn an Dots und Dannys Obststräuchern vorbei und an Reggies preisgekröntem Lauch, zum oberen Ende der Gärten, wo Ian Wests Weinreben die Hagedornhecke überwachsen. Die Sonne steht tief, aber es ist noch warm, die Luft ist so feucht, dass man den Tau fast einatmen kann, bevor er fällt, und im Schatten blitzen die Flügel der Schnaken auf, die auf die Dämmerung warten, bevor sie herauskommen und auf die Jagd gehen. Auch die Pflanzen in den Gemüsebeeten atmen tief die Feuchtigkeit ein. Ihre Blätter sind stramm aufgerichtet, die Früchte und Schoten sind saftig und prall. In den höchsten Ästen trillern feiste Singvögel, wohlgesättigt von Früchten und Mücken, und durchbrechen die Stille, die sonst nur vom fernen Murmeln des Verkehrs untermalt ist, dem leisen Geplauder von Menschenstimmen und dem Klopfen eines Hammers irgendwo, wo jemand ein Hüttendach repariert.
    Der Stadtrat bleibt an einem Beet mit Stangenbohnen stehen, um einem drahtigen, sonnengebräunten älteren Herrn beim Festzurren der Drähte zuzusehen, die die Stangen zusammenhalten.
    »Malcolm Loxley, vom Stadtrat.« Er hält ihm die Hand hin. »Bei der Ortsbesichtigung.«
    Der alte Mann wischt sich die Hände an der Hose ab. »Harry Stringfellow. Ich höre, die Stadt will uns dichtmachen.«
    »Glauben Sie nicht alles, was Sie hören. Es ist noch nichts beschlossen. Wir sind noch bei der Folgenabschätzung.«
    »Aber müssen Sie nicht erst eine öffentliche Ausschreibung machen? Müssen Sie nicht alle Beteiligten konsultieren?«, fragt Doro.
    »Das tue ich ja gerade.« Er wendet sich wieder an den altenMann. »Prima Bohnen haben Sie da.« Seine Stimme klingt leicht verändert – rauer, mehr regional eingefärbt. »Mein Großvater war ein großer Gärtner. Hat prachtvolle Feuerbohnen gezogen.«
    Eine flinke Amsel lässt sich von ihrer Anwesenheit nicht stören und fängt an, einen Wurm aus einem Hochbeet zu zerren. Zu dritt sehen sie zu, fasziniert vom Zusammenprall der Kräfte, rosa gegen schwarz, Widerstand gegen Entschlossenheit, bis der Gärtner in die Hände klatscht, um den Vogel zu verscheuchen, und der Wurm sich in die dunkle Erde zurückzieht.
    »Gierige Biester. Kriegen den Hals nicht voll«, sagt der Stadtrat.
    Doro, die zur Amsel gehalten hat, deren geschmeidige Schönheit und Heißhunger sie irgendwie für den Vogel einnehmen, sagt nichts.
    »Hier«, sagt der alte Mann und pflückt ein paar dicke Bohnenschoten. »Probieren Sie die mal.«
    »Danke. Die gibt’s gleich heute bei uns zum Abendessen.«
    Er nimmt die Bohnen, drückt dem Gärtner die Hand und geht weiter.
    »Kommen Sie, ich zeige Ihnen meine Parzelle.«
    Doro führt ihn über einen schmalen Pfad durch das Herz der Anlage zum tiefer liegenden Teil, wo das Sonnenlicht schon nicht mehr hinfällt und in der abkühlenden Luft feuchte Tropfen auf dem Gras erscheinen.
    »Wissen Sie, die meisten Leute hier haben nicht viel Geld. Der Garten ist ihre Zuflucht. Eine andere Welt. Kein Stress. Freundschaften. Bewegung an der frischen Luft. Ein gesunder Lebensstil.« Sie lacht. »Was kann ich noch sagen, um Sie zu überzeugen?«
    Er lacht mit und kneift die Augen zusammen. »Sie sind gut im Überreden, Mrs. Marchmont. Sie sollten in die Politik gehen. Dann würden Sie merken, wie schwer es ist, solche Entscheidungen zu fällen.«
    Sie

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