Die Werte Der Modernen Welt Unter Beruecksichtigung Diverser Kleintiere
in ihren Gesichtern zu lesen, ob sie noch andere im Verdacht haben, aber er kann dem Gespräch nicht mehr entnehmen, als dass sie Timos Kontakte unter die Lupe nehmen und er noch nicht auf der Liste der Verdächtigen steht.
»Ist Ihnen mal aufgefallen, dass er viel Zeit auf dem Klo verbracht hat?«, fragt DI Birkett.
Er zuckt die Schultern. »Eigentlich nicht.«
Sobald er am Abend nach Hause kommt, fährt er seinen Laptop hoch und wirft einen Blick auf Chickens Konten. Kenporter1601 ist wieder leer. Von den 5000 Pfund, die Serge überwiesen hat, ist nichts zu sehen, aber bei Dr. Black sind sieauch nicht mehr. Das heißt, seine Zahlung wurde akzeptiert. Das ist positiv.
Er nimmt sich eine Flasche kaltes Lagerbier aus dem Kühlschrank, dann schlendert er hinaus auf den Balkon des Penthouses und atmet tief ein, betrachtet das herbstliche Leuchten in der Luft und das goldene Abendlicht, das die Dächer der Stadt mit Glanz überzieht. Der Knoten in seinem Magen löst sich, seine Schultern werden locker und das kalte Bier gleitet die Kehle hinunter wie Seide. Hier oben, direkt unter dem weiten Himmel, öffnet sich seine Seele und philosophische Erkenntnisse strömen herein. Er denkt an Tim the Finn, der irgendwo in einer Zelle schwitzt, verwirrt vor Angst, und sich zu erinnern versucht, was er gesagt hat und was nicht, während sein Porsche immer noch in der Tiefgarage steht und auf einen Besitzer wartet, der vielleicht nie wiederkommt. Genauso gut hätte es Serge treffen können.
Nein, er darf nicht zu gierig werden. Die 5000 Pfund Entschädigung wurden angenommen. Jetzt muss er zusehen, dass er seinen legal verdienten Bonus in die Höhe treibt, indem er all seine Energie in seinen eigentlichen Job steckt. Solange er bei der FATCA ist, wird immer die Möglichkeit einer Ermittlung in der Luft hängen. Er wird nie wissen, wann er aus dem Schneider ist, wird nie die Angst los sein, doch noch erwischt zu werden. Er muss vorsichtig sein. Doch er ist noch nicht bereit zu gehen.
»Lauf mit mir weg«, hat er gesagt, und sie hat nur gelacht, nicht grausam, sondern einfach nicht überzeugt. Er braucht Zeit, um sie zu gewinnen. Denn Liebe ist der ultimative Bonus.
Weil Liebe das ist, was Geld nicht kaufen kann (obwohl Geld hilft).
Weil er, wenn er geht, will, dass sie mitkommt.
Doro
Stangenbohnen
Doro liebt Marcus, das weiß sie, mit der tiefen kameradschaftlichen Liebe, die der Prüfung von vierzig Jahren standgehalten hat, und deshalb überrascht es sie selbst, dass sie ein bisschen aufgeregt ist, als sie sich am Mittwoch auf das Treffen mit Stadtrat Loxley zur Begehung der Kleingärten vorbereitet. Nach dem Duschen, Haarewaschen und Föhnen tupft sie sich einen Hauch von Chanel No. 5 hinter die Ohren, das Überbleibsel eines Flughafenkaufrauschs vor vielen Jahren, und steht mit einem Gefühl nagender Unzufriedenheit vor dem Spiegel. Wo kommen die Tränensäcke her? Seit wann hat sie diese beiden senkrechten Linien zwischen den Augenbrauen? Und die schlaffen Wangen rechts und links von ihrem Kinn – wie lange hat sie die schon? Wenigstens kann sie sie noch verschwinden lassen, indem sie lächelt. Schon besser. Das heißt aber, sie muss den ganzen Tag herumlaufen und lächeln. Vielleicht ist das der Grund dafür, dass alte Frauen immer so glücklich aussehen.
Als Nächstes durchforstet sie die Kommode auf der Suche nach einem passenden T-Shirt. »Lasst 100 Blumen blühen.« Sie zieht es sich über den Kopf, sieht in den Spiegel, und das Gefühl von Unzufriedenheit ist wieder da. Das T-Shirt sieht – wie alle ihre Motto-T-Shirts – ausgeleiert und antiquiert aus. Dann greift sie stattdessen nach einer weißen taillierten Bluse, die sie sich mal für irgendeine College-Veranstaltung angeschafft hat,und einem Paar blauer Leinenhosen, die immer noch gut an ihren Hüften sitzen, auch wenn der Reißverschluss ein bisschen spannt. Sie bürstet sich das Haar zur einen Seite. Dann zur anderen. Dann bürstet sie es zurück und lässt es natürlich fallen. Die breiten weißen Strähnen über den Ohren sind eigentlich ganz attraktiv, denkt sie. Im letzten Moment legt sie sich noch eine Halskette um.
Als sie um kurz nach halb fünf den Eingang der Kleingartenanlage erreicht, leicht außer Atem, ist er schon da und wartet. Sein schwarzer BMW parkt vor dem Zaun, er lehnt an der Motorhaube und spricht in ein Handy, braungebrannt und entspannt, in grauen Hosen und einem karierten Hemd, dessen oberster Knopf geöffnet ist. Sie muss
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