Die Werwolf-Elite
»Ist er denn normal?«
Sie drehte den Kopf und schaute mich aus großen Augen an. »Wie meinst du das?«
»Nun, hat er sich verändert?«
»Das weiß ich nicht. Er befindet sich in einem Straflager. Hier in der Nähe. Willst du hin?«
»Möglich.«
»Aber deswegen bist du doch gekommen, oder nicht?«
Die Frage war schwer zu beantworten. Ich nahm einen Schluck Tee. Er schmeckte gut. Anders als der, den ich sonst trank.
Irgendwie frisch gepflückt. Und er hatte eine tiefgrüne Farbe.
»Ja«, sagte ich nach einer Weile, »wir sind auch wegen des Amerikaners hier.«
»Gibt es noch einen Grund?«
Das Mädchen hatte mich sehr gut verstanden, und ich nickte. »Clive Denver kam bis nach London durch, und dort war er nicht mehr der alte. Er verwandelte sich in einen Werwolf.«
Ich schaute Jovanka an, als ich diese Worte sagte, aber sie hob nur die Schultern und sprang dann auf, allerdings nicht wegen meiner Antwort, sondern wegen des Wassers.
»Es kocht bereits«, sagte sie. »Du kannst in die Sauna.«
Mit kräftigem Griff nahm sie die zwei Töpfe vom Herd und schleppte sie durch die zweite Tür nach draußen in den Anbau.
»Was hältst du von ihr?« fragte Suko.
»Tja, sie ist sehr seltsam.«
»Das meine ich auch.«
»Auf jeden Fall werde ich mal die Sauna benutzen.« Ich stand auf und schritt durch die gleiche Tür, die auch Jovanka genommen hatte. Der Anbau war sehr klein und niedrig. Zudem teilte ihn ein Gang. Links davon lag die Sauna. Rechts wurde das Holz gestapelt.
Ich hörte das Zischen. Es entstand, wenn man das heiße Wasser auf die Steine kippte. Dampf wölkte durch die offene Tür, und Jovanka war nur schemenhaft zu erkennen. Der Dampf roch wunderbar. Würzig, nach Wald und Kräutern. Jovanka kam zu mir. Ihre langen Haare glänzten, sie wischte sie aus dem Gesicht. »Du kannst jetzt hineingehen«, sagte sie und lächelte mich dabei an.
Dann schlüpfte sie an mir vorbei und war verschwunden. Ein seltsames Mädchen, wirklich, dachte ich und bückte mich, um durch die Tür zu gehen.
Dampfschwaden nahmen mir die Sicht. Ich sah links von mir einen Holzschemel, wo ich meine Sachen ablegen konnte. Allerdings nahm ich den Schemel mit hinein, so ganz wollte ich mich von meinen Waffen nicht trennen. Inzwischen konnte ich besser sehen. Es gab zwei Liegebänke in dieser kleinen Sauna. Beide bestanden aus dickem Holz, das sogar noch eine Rinde hatte. In Kniehöhe waren die Bänke angebracht worden, ich brauchte mich nur auf einer auszustrecken. Ich nahm die von der Tür aus gesehen an der rechten Seite stehende. Da befanden sich auch die Steine in der Nähe. Sie waren mit Reisig überdeckt, und ich sah sogar unter ihnen Feuer glimmen.
Tief atmete ich ein, als ich mich auf den Rücken gelegt hatte.
Diese Schwaden taten mir gut. Sie drangen weit in meine Lungen, und füllten sie aus. Der Geschmack von Eukalyptus breitete sich in meinem Mund aus. Es tat wirklich gut.
Ruhig blieb ich liegen. Schon längst schwitzte ich. Der Dampf trieb mir den Schweiß aus allen Poren. Ich sah aus wie jemand, den man mit Öl eingerieben hatte.
Dann traf ein kühler Luftzug meine Schultern.
Ich zuckte zusammen, rollte mich herum, denn dieser Luftzug konnte nur bedeuten, daß jemand gekommen war.
Suko vielleicht.
Mit der Hand wedelte ich Schwaden weg.
Nein, Suko war nicht gekommen, sondern das Mädchen.
Es stand noch an der Tür, und ich konnte trotz der schlechten Sichtverhältnisse erkennen, daß es nackt war…
***
Suko drehte den Kopf, als Jovanka zurückkehrte. Das Mädchen lächelte.
»Alles klar?« fragte der Chinese.
»Ja.« Sie blieb neben dem Herd stehen und deutete auf den dritten Topf.
»Da ist noch heißes Wasser. Wenn dein Freund fertig ist, werde ich es aufschütten.«
»Das finde ich toll von dir.«
Etwas verlegen hob Jovanka die Schultern. »Möchtest du noch Tee?«
»Wenn es dir nichts ausmacht?«
»Nein, nein, ganz und gar nicht.« Sie goß heißes Wasser in den Becher, wo der getrocknete Tee den Boden bedeckt. Den frischen Becher hatte sie dem Regal entnommen.
Suko ließ den Tee einige Zeit ziehen. Er war an sich auch ziemlich schweigsam, und da Jovanka nichts sagte, sah auch der Chinese keine Veranlassung, den Mund aufzumachen. Er nahm den ersten Schluck.
Heiß war der Tee, so heiß, daß sich Suko fast die Lippen verbrannt hätte.
Der Chinese beugte sich nach vorn.
Darauf hatte Jovanka gewartet. Sie stand hinter Suko und hielt ein Stück kantiges Holz in der Hand. Aus dem Schuppen
Weitere Kostenlose Bücher