Die Werwolf-Elite
Die Sohlen der Stiefel hinterließen Abdrücke, in die sofort Wasser hineinrann.
Ein dicker Frosch, aufgebläht wie ein Ballon, hüpfte mir fast über die Füße, weil ich ihn erschreckt hatte. Mit beiden Händen drückte der vor mir gehende Suko das Schilf zur Seite. Weiter vorn stießen träge, breite Dunststreifen von der Wasseroberfläche hoch, weil die Sonnenstrahlen damit begannen, Flüssigkeit zu verdampfen.
Dann sahen wir den Steg. Wir befanden uns ungefähr dort, wo er begann. Vertrauenerweckend sah er mir nicht aus. An einigen Stellen war er zerbrochen. Die Bohlen hingen schief, und manche waren überhaupt im Wasser verschwunden. Hier sollten wir den Kontaktmann also treffen. »Ich sehe ihn nicht«, sagte Suko und warf einen Blick auf seine Uhr. Wir machten einen Zeitvergleich und stellten beide fest, daß wir uns verspätet hatten.
»Der wird wieder verschwunden sein«, murmelte Suko.
Ich schüttelte den Kopf. »So ein Mensch muß doch wissen, daß wir hier nicht pünktlich auf die Minute sein können.«
»Du willst also warten?«
»Genau.«
»Dann sehe ich mich mal um«, meinte Suko und wollte den Steg betreten, als wir in unserem Rücken eine Stimme vernahmen, die sich recht zaghaft anhörte.
Wir drehten uns zur gleichen Zeit um.
Vor uns stand ein Mädchen!
***
Mit allem hatten wir gerechnet, nur damit nicht. Ein Mädchen in dieser Einöde, das war wirklich ein Hammer. Ich schluckte, und auch Suko konnte seine Überraschung nicht verbergen. Bevor ich eine Frage stellte, betrachtete ich die Kleine genauer. Klein war sie wirklich. Sie reichte mir nur bis zur Schulter, trug einen wollenen Rock und eine Steppjacke mit Kapuze, die sie jedoch nicht über ihren Kopf gestülpt hatte, deshalb sah ich das glänzende schwarze Haar, die das schmale Gesicht umrahmten, so daß die Haut noch blasser wirkte, als sie ohnehin schon war.
Das Mädchen hatte einen fein geschwungenen Mund und große Augen, in denen die Scheu nistete. »Wer bist du?« fragte ich.
»Jovanka.«
»Und du sollst uns abholen?«
»Ja.«
Zum Glück sprach sie Englisch, so daß das erste Eis zwischen uns gebrochen war.
Ich reichte ihr meine Hand. Sie zögerte erst noch, dann griff sie zu.
»Mein Name ist John«, sagte ich und stellte auch Suko vor.
Der Chinese lächelte. Auch er begrüßte das Mädchen mit einem Händedruck.
Wir waren noch immer überrascht, denn damit hatten wir wirklich nicht gerechnet. Niemand hatte uns gesagt, daß wir von einem Mädchen abgeholt werden würden.
»Kommt«, sagte sie.
Suko und ich hoben die Schultern. Wir waren Fremde in einem fremden Land und mußten ihr folgen.
Wir verließen die Nähe des Stegs und drangen in den Wald ein. Aus der Ferne hatte er sehr dicht ausgesehen, nun bemerkten wir, daß das ein Trugschluß war. Zwischen Erlen und Birken gab es genügend Platz, so daß wir relativ bequem hindurchgehen konnten.
Die Bäume waren allesamt nicht hoch. Das ließ das Klima einfach nicht zu.
Jovanka war ein Kind des Landes. Obwohl wir als kräftige Männer eigentlich hätten leicht Schritt halten müssen, hatten wir Schwierigkeiten, ihr zu folgen. Schnell und geschmeidig ging sie vor uns her, hüpfte manchmal über kleine Tümpel, und ihr derber Stoffrock schwang dann wie eine Glocke hoch, so daß wir ihre Beine sehen konnten, die in dicken Wollstrümpfen steckten. Ich sah schon vorher, daß es bald nicht mehr weiterging, denn vor uns glitzerte ein Flußlauf. So breit, daß das gegenüberliegende Ufer nur als grauer Dunststreifen zu erkennen war. Die Tümpel wurden größer. Ich sah sogar Wasserschlangen. Wir mußten die nassen Löcher umgehen, gerieten wieder in einen im Wind wogenden Schilfgürtel, in dem das Mädchen plötzlich verschwunden war. Wasser platschte.
Suko war zuerst bei mir. Er hatte sich gebückt, drängte einige Rohre zur Seite und drehte den Kopf. »Ein Boot, John.«
Wenig später sah ich es auch. Es war ein alter Holzkahn, der sogar einen Außenborder hatte sowie einen Mast. Das Segel allerdings lag zusammengefaltet auf den Planken, die unbearbeitet waren. Dann befanden sich noch mehrere Kanister im Boot. Ich nahm an, daß sie Treibstoff enthielten. »Kommen Sie«, sagte Jovanka.
Wir ließen uns nicht lange bitten und stiegen ein. Der Kahn schwankte ein wenig, als die Gewichte falsch verteilt wurden, und Suko begab sich sofort ans Heck, um den Motor anzuwerfen, wobei er Jovanka fragend anschaute. Sie nickte lächelnd.
Dreimal mußte der Chinese an der Leine ziehen,
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