Die Werwolfbraut (German Edition)
Baccara-Rosen. Die Neunzehnjährige fragte sich, wo Ricardo sie herhaben mochte. Wuchsen im Garten von seinem Kastell vielleicht Rosen? Francesca war noch nie dort gewesen und wusste es nicht.
Sie öffnete die Etuis. Das längliche enthielt eine Kette mit Rubinen und Granaten, ein herrliches Stück. Es musste sehr teuer sein. In dem kleineren Etui war ein Verlobungsring mit drei Brillanten. Der Fassung und Art nach handelte es sich dabei um einen alten Familienschmuck. Francesca war überwältigt.
»Das kann ich nicht annehmen«, sagte sie. »Es ist zu kostbar. Ich bin nur eine arme Kleinbauerntochter.«
Das hörte ihr Vater nicht gern.
»Unsere Familie hat früher eine bedeutende Rolle gespielt«, sagte er. »Mein Großvater ist mit Garibaldi marschiert und war ein großer Freiheitsheld. Widrige Umstände haben uns ins Unglück getrieben.«
Ricardo beachtete die Worte nicht. Er sah nur Francesca.
»Du kannst, und du sollst diesen Schmuck nehmen, cara mia«, sagte er schmeichelnd und sanft. »Den Verlobungsring hat mein Urgroßvater meiner Urgroßmutter geschenkt. Seitdem ist es Sitte in meiner Familie, dass der älteste Sohn ihn zur Verlobung gibt. Noch niemals ist eine Verlobung, zu der dieser Ring geschenkt wurde, aufgelöst worden.«
Der älteste Sohn... Francesca betrachtete den funkelnden Ring. Die Brillanten funkelten im Dämmerlicht in der düsteren Stube wie kleine Sterne. Die Rubine und Granate an der Kette waren im Schein der letzten Strahlen der untergehenden Sonne blutrot. Der älteste Sohn der di Lampedusas sollte der Überlieferung nach jeweils der Werwolf sein. Und seine Frau trug das Kind aus, das den magischen Keim in sich trug, den Erstgeborenen.
Ricardo legte seine Hand auf Francescas Unterarm. Sie schaute weg von dem Schmuck und sah seine gleichlangen Zeige- und Mittelfinger. Härchen wuchsen keine auf Ricardos wohlmanikürten Händen. Er hatte sie entweder abrasiert oder ausgezupft. Seine Handgelenke waren sehr breit und stark. Die Hände verrieten bei aller aristokratischen Schlankheit eine ungeheure Kraft. Francesca fühlte, dass sie wie Stahlklammern zupacken konnten.
Ricardos Brauen waren zusammengewachsen. Dennoch wirkte er nicht finster. Eine gewaltige Kraft und etwas Animalisches, Fremdes strahlten von ihm aus. Dazu umgab ihn ein Hauch von Melancholie und von Feinfühligkeit. Er war ein seltsamer, sehr beeindruckender Mann, der seine Wirkung auf Francesca nicht verfehlte. Sie erinnerte sich genau, wie er sie das erste Mal angesprochen hatte.
Sie war von dem Brunnen am Rand des Montalba'schen Anwesens gekommen. Er lag ein ganzes Stück vom Haus entfernt. Ricardo hatte unter dem Ölbaum gestanden und sie angeschaut.
»Komm her«, hatte er zu ihr gesagt.
Francesca, den Krug auf dem Kopf, waren die Knie schwach geworden. Wie ein elektrischer Schlag hatte es sie durchzuckt, als er sie anschaute. Sie hatte den Krug weggestellt und war zu ihm gegangen.
»Ich bin Ricardo di Lampedusa«, hatte er gesagt.
»Ich weiß.«
»Ich liebe dich.«
»Auch das weiß ich.« Sie hatte bemerkt, wie er sie an den Tagen zuvor angeschaut hatte. Und nicht nur sie hatte das bemerkt. »Aber ich bin verlobt.«
»Das spielt keine Rolle«, hatte der hochgewachsene Mann geantwortet, den sie im Dorf den Werwolf-Grafen nannte. Marchese di Lupo. »Du gehörst mir.«
Er hatte Francesca an sich gezogen und geküsst. Es durchzuckte sie, wie versengende Glut strahlte sein Kuss durch ihren ganzen Körper aus. Eine heiße Woge der Leidenschaft ließ das Blut schneller durch ihre Adern fließen. Francesca war es, als ob sich die Erde unter ihr bewegte und die Sonne kreiste. Sie konnte später nicht sagen, wie lange sie in Ricardos starken Armen gelegen hatte, selig an ihn geschmiegt, voller Hingabe, und sich von ihm hatte küssen lassen.
Irgendwann kehrte die klare Vernunft bei ihr zurück. Heftig atmend löste sie sich aus der Umarmung.
»Das dürfen Sie nicht«, sagte sie zu dem hochgewachsenen, dunkelhaarigen Mann mit den grauen Schläfen.
Ein spöttisches Lächeln spielte um seine Lippen. Wer will es mir verbieten, sagte es, ich bin der Herr. Über Leben und Tod, hätte hinzugefügt werden können. Ricardo hatte sich galant verbeugt.
»Entschuldige, schöne Francesca. Die Leidenschaft zu dir hat mich hingerissen. Seit ich dich das erste Mal sah wusste ich, dass wir füreinander bestimmt sind. Zu Anbeginn der Schöpfung haben die Engel in den Sphären unsere Namen gesungen.«
»Sie sind ein Romantiker,
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