Die Werwolfbraut (German Edition)
sie.
Der Marchese küsste sie heftig. Francesca hatte schon andere Männer geküsst, nicht nur ihren Verlobten Mario Sciaso. Doch Ricardos Kuss war etwas völlig anderes, wie feurige Lava. Wieder schien der Boden unter Francescas Füßen zu beben. Es dauerte endlos lange, bis der Marchese sie losließ.
Die Sonne war längst untergegangen. Die Nacht brach herein, doch es war eine mondhelle und sternklare Nacht. Man hätte das Großgedruckte in einer Zeitung lesen können.
»Wer bist du?«, fragte Francesca. »Wie kommt es, dass du den Wölfen gebieten kannst?«
Ricardos Augen hatten aufgehört zu glühen. Zärtlich streichelte er seine Geliebte.
»Frage mich nicht«, antwortete er. »Ich kann es. Bitte dringe nicht in mich. Es ist ein Geheimnis. Mehr darf ich dir nicht verraten.«
»Aber du hast um meine Hand angehalten«, warf ihm Francesca vor. »Findest du nicht auch, dass es zwischen Mann und Frau keine Geheimnisse geben sollte? Ehrlichkeit ist die wichtigste Grundlage für eine Ehe. Man kann sie nicht auf einer Lüge aufbauen.«
Ricardo senkte den aristokratischen Kopf. Francesca erkannte den Widerstreit der Gefühle in ihm. Er ballte die Faust.
»Ich kann jetzt nicht reden. Die Zeit ist nicht reif. – Vertraue mir, bitte. Ohne dich bin ich verloren. Ich brauche dich, Francesca. Nur durch dich habe ich wieder angefangen zu leben. Seit Sophia starb ist mein Leben grau und öde gewesen. Ich vegetierte nur. Durch dich bin ich wieder aufgeblüht. Mein Licht und Leben, mein ein und alles.«
Die Inbrunst seiner Worte war ehrlich und echt.
Er fuhr fort: »Warum bist du so spät gekommen? Es hätte dein Verhängnis werden können. Vor Sonnenuntergang, sagte ich. Der Vollmond hat eine verhängnisvolle, schreckliche Kraft. Spürst du sie nicht? Seine Strahlen durchdringen alles und verwandeln die Seele.«
»Ich konnte nicht früher kommen. Ich bin aufgehalten worden. Ja, ich spüre die Kraft des Vollmonds. Ich bin unruhig.«
Francesca schaute empor zu dem bleichen Nachtgestirn. Sie wusste, dass bei Vollmond mehr Geburten stattfanden als zu anderen Zeiten. Dass viele Menschen dann an Unruhe und Schlaflosigkeit litten und andere psychosomatische Beschwerden hatten. Der Mond rief die Gezeiten hervor. Bei Vollmond war er der Erde am nächsten. Er beeinflusste auch die Menschen, und es gab Kreaturen, auf die er eine besondere Wirkung hatte.
»Du nanntest den grauen Wolf Benito?«, fragte Francesca. »Warum? Bist du dieser Bestie schon einmal begegnet?«
»Dieses Rudel streift hier schon länger umher«, antwortete Ricardo ausweichend. »Lass uns von anderen Dingen sprechen. Wir haben nicht viel Zeit. Ich muss dich sicher zu eurem Gehöft zurückbringen.«
»Warum haben wir nicht viel Zeit?«, fragte Francesca.
»Es ist so«, antwortete er knapp. »Frage mich nicht.«
Neugierig schaute sie den Marchese an. Sein Gesicht war angespannt. Obwohl er sich anstrengte, ruhig zu erscheinen, merkte sie seine Nervosität. Ihr war es, als ob er sich mit aller Willenskraft zusammennahm, nicht in einen bestimmten Zustand zu verfallen. Kämpfte er vielleicht gegen die Metamorphose an, die Verwandlung zum Werwolf?
Wie auch immer, die Neunzehnjährige mit den schönen kastanienbraunen Haaren und dunklen Rehaugen fühlte sich stark zu dem Marchese hingezogen. Sie spürte, dass sie ihn liebte. Er war ungeheuer stark und zugleich verletzlich. Geheimnisvoll und romantisch, was jedes Frauenherz in seinen Bann schlagen musste. Francesca wagte es nicht, ihn ins Gesicht zu fragen, ob er ein Werwolf sei. Später, dachte sie, jetzt ist nicht der richtige Augenblick.
Ricardo schaute manchmal zum Mond, der einen ungeheuren Einfluss auf ihn auszuüben schien. Doch er hatte sich unter Kontrolle. Er führte Francesca zu einem Mauerrest, auf den sie sich setzten. Ricardo hielt ihre Hand.
»Wann wollen wir heiraten?«, fragte er.
»Du hast mir noch keinen Heiratsantrag gemacht«, antwortete Francesca kokett. »Mit meinem Vater hast du gesprochen, mit mir nicht. Bedeute ich dir so wenig?«
Der Marchese lächelte. Im nächsten Moment kniete er zu Francescas Füßen nieder. Immer noch hielt er ihre Hand.
»Willst du mich heiraten?«, fragte er. »Ich schwöre dir, dass ich alles tun werde, um dich glücklich zu machen.«
»Wirklich alles? Wird es keine Geheimnisse mehr zwischen uns geben?«
»Bald sage ich dir alles. Werde die meine. Ich liebe dich. Du bist die Frau meines Lebens. Ich küsse den Boden, über den du gegangen bist, und ich
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