Die Werwolfbraut (German Edition)
»Das brauche ich mir von dir nicht bieten zu lassen.«
Patriarch, der er war, hob er die Hand, als ob er seiner Tochter eine Ohrfeige versetzen wollte.
»Wage es, die zukünftige Frau des Marchese di Lampedusa zu schlagen«, sagte Francesca in einem Ton, den er von ihr nicht gewohnt war. »Lass mich vorbei.«
Michele Montalba ließ die Rechte sinken und gehorchte verblüfft. Er begriff, dass seine Tochter sich vor ihm nicht mehr duckte. Das musste er wohl in Kauf nehmen. Brummig ging er ums Haus herum und unternahm einen kleinen Spaziergang, um Francesca an dem Abend nicht mehr sehen zu müssen. Als sie im Bett lag, konnte sie lange nicht einschlafen, womit sie sonst kein Problem hatte. Was sie an dem Abend erlebt hatte und die Geschehnisse in den letzten Tagen gingen ihr im Kopf herum.
Auch was ihr Vater gesagt hatte. Es war grotesk. Auf der einen Seite ist er bereit, mich mit einem Werwolf zu verheiraten, um uns finanziell zu sanieren und Mutter zu retten, dachte die Neunzehnjährige. Auf der anderen sorgt er sich um meinen guten Ruf. Doch hauptsächlich drehten sich ihre Gedanken um Ricardo di Lampedusa. Sie liebte ihn, und wenn es einen Fluch gab, der auf ihm lastete, hoffte sie, ihn durch ihre Liebe von ihm nehmen zu können.
Bevor sie ins Kastell zog, hatte sie jedoch noch ein unangenehmes Gespräch vor sich. Sie musste ihrem früheren Verlobten Mario Sciaso beibringen, dass ihre Verlobung gelöst war und sie ihn nicht mehr liebte. Das würde nicht leicht sein. Doch Francesca war ein tatkräftiges Mädchen und gewöhnt, sich vor unangenehmen Dingen nicht zu drücken.
3. Kapitel
In dieser Nacht wurde das dreiköpfige Wolfsrudel in der Nähe der Kleinstadt Caulonia gesehen. Außerdem streifte ein riesiger schwarzer Wolf in den Bergen umher. Er versetzte einen Jäger in Todesangst.
»Der größte Wolf, den ich jemals gesehen habe«, schilderte der Mann sein Erlebnis. »Das war kein normaler Wolf.«
Der Jäger trank in der Taverne seinen Grappa. Er ging nicht mehr weiter auf das Thema ein. Die Einheimischen tuschelten miteinander. Mehrere Männer schlugen vor, eine Art Bürgerwehr zu bilden und sich mit silberkugelgeladenen Gewehren zu bewaffnen.
»Die Werwölfe sind unterwegs«, sagten die Männer in der Taverne von Caulonia. »Man muss etwas unternehmen.«
In San Clemente suchte Francesca an diesem Tag gleich nach Schulschluss Mario Sciaso auf. Die Schüler der einklassigen Dorfschule stürmten lärmend an ihr vorbei und rannten, als ob es etwas zu versäumen gäbe. Sie führten jeden Tag bei Schulschluss denselben Spektakel auf. Francesca, im einfachen hellen Leinenkleid, mit Sandalen an den Füßen, betrat das Klassenzimmer. Mario wischte gerade die Tafel sauber.
Er war dunkelblond, 28 Jahre alt und etwas über mittelgroß. Er kleidete sich leger und hatte ein ansteckendes, jungenhaftes Lachen. Als er Francesca sah leuchtete sein Gesicht auf. Er wusste noch nicht, was geschehen war und dass sich ihre Gefühle für ihn geändert hatten. Mario legte den Schwamm weg und kam auf die junge Frau zu.
»Ich habe dich tagelang nicht gesehen«, sagte er. »Was war los?«
»Ich hatte viel zu tun«, antwortete Francesca ausweichend. Dann gab sie sich einen Ruck. »Ich habe etwas Wichtiges mit dir zu besprechen. Es betrifft uns beide.«
»Hast du endlich den Heiratstermin festgesetzt?«, fragte Mario arglos. »Das wurde auch Zeit.«
Er wollte sie in die Arme schließen und küssen. Francesca wehrte ihn sacht ab. Jetzt begriff der Lehrer, dass etwas nicht in Ordnung war. Francesca setzte sich an eine Bank für die größeren Schüler. Mario nahm vor ihr Platz und schaute sie gespannt an.
»Sprich dich aus«, sagte er. »Wo ist das Problem?«
»Ich liebe dich nicht mehr«, erklärte Francesca sachlich. »Ich werde einen anderen heiraten. Unsere Verlobung ist aufgelöst.«
Es dauerte eine Weile, bis Mario das begriff. Francesca fiel es schwer, ihm die Wahrheit zu sagen, die ihn tief verletzte. Aber es musste sein. Herumzudrucksen nutzte nichts. Einmal musste er es doch erfahren, und der direkte Weg war der Beste.
»Einen anderen Mann«, flüsterte Mario Sciaso tonlos. »Wer ist es? Ich bringe ihn um.«
»Das wirst du nicht tun. Es ist Ricardo di Lampedusa.«
»Der Werwolf?«, fragte Mario fassungslos. »Warum in aller Welt liebst du ausgerechnet den? Weißt du denn nicht, welche Gerüchte über den Marchese im Umlauf sind? Alle anderen Frauen gruseln sich vor ihm, und du willst dich mit
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