Die Werwolfbraut (German Edition)
gewesen sei.
Doch in nicht einmal vier Wochen würde es wieder Vollmond sein. Was dann geschah, ließ sich noch nicht absehen.
*
Die folgenden Wochen verlebte Francesca mit Ricardo im Schloss wie einen herrlichen Traum. Er war der aufmerksamste, verständnisvollste und zärtlichste Freund und Liebhaber, den eine Frau sich wünschen konnte. Er las ihr jeden Wunsch von den Augen ab und widmete ihr seine ganze Zeit. Sie fuhren nach Rom und Neapel und blieben dort jeweils ein paar Tage. Zusammen bestiegen sie den Vesuv und schauten händchenhaltend in den rauchenden Krater mit der brodelnden Lava.
»Viele unglückliche Liebespaare sind hier hinuntergesprungen, damit sie im Tod vereint sein konnten«, sagte der Fremdenführer.
Außerhalb des Schlosses und seiner gewohnten Umgebung veränderte Ricardo sich völlig, so als ob diese ihn beeinflussen würde. In Rom und Neapel war er viel lockerer, heiter und witzig, manchmal fast albern und sehr verliebt. Das Personal in den Hotels, in denen sie abstiegen, wunderte sich, weshalb dieses offensichtliche Liebespaar getrennte Zimmer hatte. Die beiden gingen fast immer Hand in Hand, turtelten und küssten sich öfter. Sie besuchten Museen und alle Sehenswürdigkeiten, vom Vatikan bis zum Forum Romanum und der Blauen Grotte auf einer Insel in der Nähe von Neapel.
Ricardo war sehr gebildet und wusste anschaulich zu erzählen. Francesca war ein bildungshungriges Mädchen und konnte einem gebildeten Mann sehr gut zuhören. Vielleicht war es ihre glücklichste Zeit, der Sex zerstörte auch manches. Romantik, Liebe, das gegenseitige Werben war schön.
Ricardo mochte sich, was Francesca verwunderte, nicht über Zukunftspläne unterhalten. Er unterstützte bereits Francescas Familie. Ihre Mutter war zur Kur in die Schweiz abgereist. Francesca wusste es noch nicht, aber ihr Bruder hatte sein heißersehntes Motorrad unterhalten. Die Bank war befriedigt. Michele Montalba konnte in Ruhe in die Zukunft sehen und sich einige Anschaffungen leisten. Das Haus musste renoviert werden. Für den Weinberg, der endlich mit modernsten Schädlingsbekämpfungsmitteln ungezieferfreier geworden war, konnten diesmal für die Lese Hilfskräfte eingestellt werden.
Die Montalbas brauchten nicht mehr allein herumzukrauchen und sich bei der glühenden Hitze mit den großen Traubenkörben den Rücken zu zerbrechen. Michele Montalba plante, sich einen Traktor zuzulegen, Maschinen zur Feld- und Weinbergbearbeitung, und er wollte sogar Land hinzukaufen. Er hatte sein Glück gemacht, so sah er es.
Jetzt konnte er es sich auch leisten, abends in die Taverne zu gehen und dort seinen Wein zu trinken. Doch das tat er nur einmal. Er spürte die Blicke der anderen Männer, und er hörte, wie sie hinter seinem Rücken über ihn tuschelten.
»Seine Tochter ist bei dem Werwolf. Er hat sie an ihn verschachert, damit es ihm besser geht.«
»Beim nächsten Vollmond geben wir es dem Werwolf. Auch hier in San Clemente besteht jetzt eine Bürgerwehr. Wir pfeffern der Wolfsbrut Silberkugeln in den Balg, dass sie krepiert. Dann wollen wir einmal sehen, welche Gestalt die toten Wölfe annehmen.«
Der Überlieferung nach nahm ein Werwolf nach seinem Tod wieder die ursprüngliche menschliche Gestalt an. Michele legte das Geld für den Wein auf den Tisch und stand auf. Er hatte allein gesessen, im Freien vor dem Lokal, wie es üblich war bei dem immer noch warmen Wetter. Ein paar junge Burschen mit knatternden Motorrollern standen auf der Straße bei dem Lokal.
Michele Montalba hörte undeutlich »... die Hure von einem Werwolf.« Im ersten Moment wollte er sich umdrehen und sich auf die Kerle stürzen. Doch er war sich nicht sicher, dass er richtig gehört, und er wusste auch nicht, wer das gesagt hatte. Wenn er Streit anfing mit den Burschen, verschlechterte er die Situation nur noch und erregte erst recht Aufmerksamkeit. Die Kerle konnten ihn auslachen und glattweg abstreiten, dass sie so über Francesca Montalba gesprochen hatten. Dann musste Michele die Äußerung wiederholen, die er ihnen vorwarf, und verbreitete sie damit erst recht und machte sich lächerlich.
Oder sie gaben es zu. Dann musste er sich mit ihnen prügeln. Davor schreckte Michele Montalba nicht zurück. Die harte Arbeit im Weinberg hatte seinen Körper gestählt, und seine Hände waren bretthart davon. Mit ein paar Grünschnäbeln aus er Stadt – Caulonia – nahm er es schon noch auf. Doch was nutzte es? Er konnte den Leuten die Mäuler nicht
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