Die Werwolfbraut (German Edition)
übernatürlichen Themen. Doch er war auch der Wissenschaft und Technik aufgeschlossen. Beiläufig erwähnte er, dass er ein Ingenieursstudium abgeschlossen hatte.
»In Padua, an der Technischen Hochschule«, sagte er. »Maschinenbautechnik.«
Er war ein seltsamer Mann. Vieles bei ihm passte nicht zusammen. Gespalten war er und voller Widersprüche. Genau das faszinierte Francesca an seinem facettenreichen Wesen. Obwohl sie es sich selber nicht zugab, ein normaler und völlig ausgeglichener Mann ohne seelische Abgründe und Geheimnisse hätte sie nicht interessiert. Er wäre ihr schlichtweg zu langweilig gewesen.
Im Weinkeller standen riesige Fässer auf Holzbalken mit runden Aussparungen. Es roch muffig und nach vergorenem Wein. Reichliche Vorräte waren in den anderen Kellern. Gerümpel stand da, teils abgedeckt. Im Keller befand sich auch der dieselbetriebene Generator, der Schloss Lampedusa mit elektrischer Energie versorgte. Das Schloss hatte keine Zentralheizung. Die bewohnten Zimmer wurden mit Holz und Kohle in den Öfen oder mit dem Kaminen beheizt.
In einem Teil der Kellergewölbe gab es kein elektrisches Licht. Ricardo nahm eine Laterne und leuchtete damit.
»Das ist die Folterkammer«, erklärte er Francesca.
Schaudernd sah sie die Folterwerkzeuge, mit denen in früheren Jahren Menschen gequält worden waren. Die Streckbank, Daumenschrauben und aus Eisenstreben bestehende Stiefel mit Dornen an der Innenseite. Peitschen und allerlei andere Geräte, über deren Verwendungszweck man erst einmal nachdenken musste. Da war eine eiserne Maske, aus Stäben bestehend, die im Mundbereich einen Trichter hatte.
»Das ist für die Wasserfolter«, sagte Ricardo. »Die Folterknechte legten dem Opfer die Maske an. Dann gossen sie ihm zig Liter Wasser durch den Trichter in den Leib.«
Francesca schüttelte es, wenn sie an die qualvollen Folgen dachte. Sie betrachtete sich die Ringe an den Wänden, an denen die unglücklichen Opfer angekettet worden waren, von der Decke herabhängenden Ringe an Eisenketten und anderes. Da war die Folterbank, und in der Ecke stand eine Eiserne Jungfrau.
Sie schloss sich knarrend, als Francesca sie antippte. Die Hohlschalen der Frauenfigur mit den innen angebrachten Dornen klappten zusammen. Der jungen Frau wurde es übel. Die Menschen hatten schon immer viel Fantasie gehabt, wenn es galt, sich gegenseitig zu quälen und umzubringen. Francesca fragte sich, was für eine Sorte Mensch es sein mochte, die sich als Folterknecht hergab.
»Ist dieser Folterkeller von deiner Familie benutzt worden?«, fragte Francesca.
Der Marchese schüttelte den Kopf.
»Nein. Wir haben ihn von unseren Vorgängern geerbt, deren Geschlecht ausstarb und von denen wir das Schloss übernahmen.«
»Aber da sind doch frische Blutspuren am Boden«, sagte Francesca und deutete.
»Nein, da hat der Knecht Öl aus der Lampe verschüttet.«
Francesca bildete sich ein, Ölflecke von Blutspuren unterscheiden zu können. Doch sie war nicht ganz sicher und sagte nichts mehr. Ricardo zeigte ihr noch die Zellen, in denen die Gefangenen früherer Zeiten untergebracht gewesen waren. Als Hexen verdächtigte Frauen, Diebe und Feinde. Menschen, deren einziges Vergehen darin bestanden hatte, einen Hasen oder Fasan mit der Schlinge zu fangen, weil sie quälenden Hunger hatten. Das Jagdrecht hatte jedoch allein die Herrschaft.
In früheren Zeiten konnte man für ein solches Vergehen der Wilddieberei hingerichtet werden oder jedenfalls eine empfindliche Körperstrafe erhalten. Nur von fern fiel schwacher Lichtschimmer in die düsteren, dumpfen Zellen. Lebendig begraben mussten die Gefangenen sich hier gefühlt haben. Es musste schrecklich gewesen sein, hier unten eingesperrt zu sein, die Schreie der gequälten armen Opfer aus der Folterkammer zu hören und das rohe Lachen und die obszönen, gemeinen Reden der Folterknechte.
Wie viel Leid, Schmerz, Qual und Verzweiflung hatten diese Mauern gesehen. Francesca war feinfühlig und hatte einen besonderen Sinn. Sie glaubte, die Qual der Opfer wäre hier noch gegenwärtig an diesem verfluchten Ort, in die Steine eingedrungen. Denn Steine, hatte Francesca einmal in einem Buch gelesen, redeten, wenn die Menschen schwiegen.
Die junge Frau war froh, den schrecklichen Ort wieder verlassen zu können. Im schmalen Gang bei Ricardo eingehängt wandte sie sich zum Gehen. Da fiel ihr Blick durch die Stäbe einer Zelle mit Gittertür auf etwas Weißes. Sie nahm Ricardo die Lampe aus der Hand
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