Die Werwolfbraut (German Edition)
stopfen.
Er bog um die Ecke, in böse Gedanken versunken. Ein Hochzeitstermin zwischen dem Marchese und seiner Tochter war noch nicht festgesetzt. Das wurde allmählich Zeit. Auf dem Heimweg begegnete Michele dem Lehrer Mario Sciaso, Francescas früherem heimlichem Verlobten. Der dunkelblonde Mann blieb bei ihm stehen.
»Wie geht es Francesca?«, fragte er nach kurzem Zögern, als er sich innerlich überwunden hatte.
»Gut«, antwortete Michele brüsk.
»Was schreibt deine Frau aus dem Sanatorium?«
»Was geht dich das an?«
Sciaso unternahm einen letzten Anlauf.
»Ich glaube, dass Francesca mit ihrer Verlobung mit dem Werwolf-Grafen einen schlimmen Fehler begeht«, sagte er. »Beim nächsten Vollmond wird sie es bitter bereuen.«
»Blödsinn. Du bist doch Lehrer, ein aufgeklärter Mann, oder? Was faselst du da von Werwölfen? Bringst du den Kindern in der Schule auch solchen Unfug bei? Ein Werwolf, pah. Das sagt ihr doch nur, weil ihr neidisch seid. Mir ist der Marchese als Schwiegersohn recht. Er ist zweimal bei uns gewesen, bei uns, in unserem Haus. Wir haben ihn bewirtet, und er hat mit mir gesprochen wie mit seinesgleichen. Vielleicht ziehen wir bald alle ins Kastell hinauf.«
Das glaubte Michele Montalba zwar selber nicht, er hätte es auch gar nicht gewollt. Aber sagen konnte er es ja, um Sciaso zu beeindrucken und seine neuerworbene Bedeutung als der Schwiegervater des Marchese di Lampedusa hervorzuheben.
»Noch ist er nicht dein Schwiegersohn«, sagte Sciaso.
»Aber bald. – Ciao.«
Damit ließ Michele Montalba Sciaso stehen. Der Lehrer schaute ihm nach. Er ballte die Fäuste. Sciaso hatte es nicht vergessen, dass Francesca ihn wegen des Marchese abservierte. Er konnte es nicht verwinden.
»Ich bringe ihn um, diesen Werwolf, den gottverdammten«, zischte er. »Beim nächsten Vollmond steche ich ihn nieder. Wenn ich sie nicht haben kann, soll er sie auch nicht bekommen. Und sie... dieses Weib...«
Mario Sciaso war völlig außer sich, seit Francesca ihm den Laufpass gegeben hatte. Er hatte Rachevisionen, wie er Ricardo di Lampedusa niederstreckte und Francesca mit seinem Messer durchbohrte. Was danach kommen sollte, wusste er nicht. Es war ihm egal. Seine erhitzten Gefühle verlangten nach einem Ventil. Der Fleck auf seiner Ehre konnte nur mit Blut abgewaschen werden.
*
Bis zum nächsten Vollmond erlebte Francesca den Himmel auf Erden und eine Zeit voller Seligkeit. Sie war jeden Tag mit Ricardo zusammen, unternahm Reisen und lernte ihn als einen liebevollen und romantischen Liebhaber kennen. Jede Nacht aber schlief jeder brav in seinem Bett. Der Hochzeitstermin war nämlich noch nicht festgesetzt. Am Tag ehe der Vollmond zum ersten Mal wieder am Nachthimmel stehen würde kehrten Francesca und Ricardo ins Kastell Lampedusa zurück.
Die schwere Limousine rauschte durchs Tor. Die Dienerschaft begrüßte die Heimkehrer. Das Essen stand schon bereit. In dieser Nacht wachte Francesca auf und schaute zum Mond hinauf. Fast voll war er und verschwand hin und wieder hinter einer Wolke. In der nächsten Nacht schon würde er seine volle Kraft erhalten, der Wolfsmond sein. Was würde dann geschehen?
Am nächsten Tag unternahm Francesca mit Ricardo einen Ausritt. Der Marchese war schon den ganzen Tag nervös gewesen, nicht mehr heiter wie bei den Reisen. Die alte Filomena hatte Francesca angeschaut, als ob sie ihr etwas sagen wollte. Doch sie hatte geschwiegen, aus Treue zu ihrem Herrn. Die Spannung wuchs den ganzen Tag über.
Francesca hatte den Ausritt vorgeschlagen. Sie saß auf einer lammfrommen Stute, sie war keine gute Reiterin, weil sie zu wenig Übung hatte. Ricardo trabte auf seinem Rappen dahin. Das Pferd war nervös, als ob es an seinem Herrn etwas spürte, was es unruhig machte. Die beiden ritten durch die Berge und kehrten erst kurz vor Sonnenuntergang zurück. Der Ausritt und die frische Luft hatten ihnen gut getan.
Die Pferde waren jedoch immer noch nervös. Vorm Schlosstor auf der Zugbrücke saßen sie ab. Ricardo schaute zur untergehenden Sonne. Sein Blick flackerte.
Da sprang ein dunkelblonder Mann in durchaus geschmackvoller Kleidung aus dem Schatten des Torbogens. Er hatte sich an die Mauer gepresst. Ein silbernes Messer blitzte in seiner Hand.
»Verdammter Werwolf!«, schrie er. »Fahr zur Hölle. Du hast mir die Frau gestohlen.«
Es war Mario Sciaso, völlig von Sinnen vor Wut und Eifersucht. Francesca schrie seinen Namen und sprang dazwischen. Sie stellte sich vor
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