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Die Wesen (German Edition)

Die Wesen (German Edition)

Titel: Die Wesen (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Philip Lux
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Tiefe beschriftete, in der sie zu entnehmen waren. Jeder von ihnen sollte alle fünf Meter, von einer Tiefe von vierzig Metern aufwärts, Proben nehmen.
    Laima glitt hinab. Sie sah, wie die andren Lampenkegel im dunklen Wasser auseinanderdrifteten und sich verteilten. Die Lichtpunkte wurden immer kleiner und schwächer. Das Gleiten durch das Dunkel erinnerte sie an das Gefühl des Nichts, das sie erlebt hatte. Ein schwereloses Nichts, in dem sie sich auflöste.
    Sie hörte das beruhigende Blubbern des Atemgerätes und spürte den Druck auf den Ohren, der sie an den Ausgleich erinnerte. Langsam arbeitete sie sich weiter in die Tiefe vor. Sie musste sich beim Tauchen immer wieder zur Ruhe zwingen. Sie wusste, dass man nicht schnell auftauchen durfte. Es war eine Übung, sich selbst zu kontrollieren. Überstürztes Handeln oder Panik war in dieser Umgebung ein Todesurteil.
     
     
    Thian starrte auf seine verbundene Hand.
    Sam wunderte sich über ihn. War der Kerl wirklich so blöde? Oder stellte er sich einfach dumm? Hatte er wirklich alles vergessen, was gestern Abend geschehen war? Dass er sich offenbart hatte? Dass er ihnen verraten hatte, dass er ein Spion war?
    Aber es war Sam egal.
    Sein Auftrag war fast erledigt. Endlich. So viele fehlgeschlagene Versuche hatten ihn verärgert. Es blieb nur noch Schüssli auszuräumen. Es würde ihm nicht mehr Mühe machen, als eine Kakerlake zu zerquetschen. Alles andere war bereits eingefädelt. Die Falle war zugeschnappt. Es würde sich wie von selbst lösen. Je tiefer sie kamen, um so sicherer war ihr Tod.
    Er spielte bereits seit geraumer Zeit mit einem Holzgegenstand in seiner Hosentasche. Sein Finger glitt langsam in die Schlaufe, bis das Gambretta festsaß.
    Dann schnellte seine Hand hervor.
     
     
     

21
     
    Das Gambretta war mit seinem Arm zu einer Waffe verschmolzen. Es war ein gutes Gefühl. Seine Hand traf die Schläfe des Chinesen. Punktgenau. Das Blut schoss in die platzenden Äderchen seiner Augäpfel. Das Weiß färbte sich rot. Der Mund des Chinesen klappte auf. Dann kippte er hintenüber und sank lautlos ins Wasser.
    Es war zu einfach. Oder wurde er alt? Es war eine Langeweile, die ihn mit einem Mal überkam. Nein, keine Langeweile. Es machte ihm keine Freude mehr. Freude war vielleicht das falsche Wort. Befriedigung? Ja. Wobei das Wort Frieden auftauchte. Suchte er seinen Frieden? Mit wem wollte er ihn schließen? Mit sich? Mit dem Pfarrer, der ihn gequält hatte? Mit seinem Vater, den er nicht kannte? Mit seiner Mutter?
    Er fühlte sich nicht gut. Was dachte er da? Ihm war schlecht. Er musste sich übergeben und beugte sich über den Rand des Bootes. Er sah das Gesicht des Chinesen unterhalb der Oberfläche. Wie es langsam verschwand. Dann kotzte er ins Wasser.
     
     
    Laima sah auf ihren Tiefenmesser. Sie war gleich bei vierzig Metern. Von den Andren war nichts mehr zu sehen. Die Dunkelheit hatte sie geschluckt. Sie griff mit einer Hand in den Beutel, um nach der richtigen Probe zu suchen, als ein brummender Ton sich in ihr Bewusstsein drängte. Vor ihr sprang ein gleißend helles Licht an. Ein riesiges ovales Etwas lag vor ihr. Sie erschrak dermaßen, dass sie beinahe die Lampe fallen ließ. Es musste die ganze Zeit dort gewartet haben. Ihr Herz schlug bis zum Hals. Was war das? Dann setzte sich das riesige Ding langsam in Bewegung. Schwebte an ihr vorbei und schoss wie ein heller Blitz zur Oberfläche. Ohne einen Sog zu verursachen oder ein andres Geräusch, außer dem dumpfen Brummen, von sich zu geben.
    Sie versuchte ruhig zu atmen. Da bemerkte sie einen Aussetzer ihrer Atemflasche. Nein, nur das nicht, dachte sie. Sie schnallte den Pressluftbehälter ab. Der Zeiger der Anzeige stand auf fast voll. Sie hätte bereits zu einem Drittel leer sein müssen. Sie schüttelte ihn. Er war fast gänzlich leer. Dann ertastete sie etwas kleines Rundes auf der Rückseite der Pressluftanzeige. Ein schwarzer Magnet. Sie entfernte ihn. Sofort fiel die Nadel der Anzeige unter Null. Sie bekam Panik. Sie befand sich vierzig Meter tief unter Wasser. Sie würde ersticken oder beim zu schnellen Auftauchen an einem Lungenriss sterben. Das war also das Grab, das auf sie gewartet hatte.
    Sie durfte sich nicht aufgeben. Wenn sie starb, sollte es zumindest kämpfend sein. Aber sie musste ruhig bleiben. Jede Bewegung kostete sie Sauerstoff. Sie musste überlegt handeln. Die Luft, die sie ausatmete, war kostbar. Sie musste sie einfangen. Der Beutel, den sie hatte, war zwar aus

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