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Die Wesen (German Edition)

Die Wesen (German Edition)

Titel: Die Wesen (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Philip Lux
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sprachen nicht. Sie verweilten in Einigkeit und stillem Glück. Es war, als sprächen ihre Herzen zueinander, ohne Worte auszutauschen. Tiefes Verständnis und wissendes Wohlwollen. Alles war an seinem Platz, alles fühlte sich richtig an. Alles war immer richtig gewesen. Es würde nichts anderes geben. Es hatte nie etwas anderes gegeben. Dann führte ihre Mutter sie zum Rand eines Tals. Hier verabschiedeten sie sich ohne Trauer, denn sie hatten die Gewissheit, dass sie nie getrennt sein würden. Ihre Mutter und all die Liebe waren immer bei ihr.
    Laima schwebte hinab. Eine unbeschreiblich wundervolle Stadt tauchte vor ihr im Licht des Regenbogens auf, das sich sanft in den kristallinen Gebäuden brach und in goldenen und unbekannten Farben strahlte. Verschiedenartige Wesen und Tiere waren zu sehen. Alles von friedlicher Sanftmut durchströmt.
     
     
    „Nein!“
    Der Schrei holte sie in die Realität der Höhle zurück.
    „Lhatsen, was ist los?“
    Sein Gesicht war verzerrt. Vor Wut geifernd, bildete sich Schaum vor seinem Mund.
    Seine Stimme erklang erneut. Tief, bedrohlich und unheimlich fremd.
    „Nein, meine Liebe, das wird nie passieren!“
    Sein Gesicht begann, sich zu verformen. Seine Nase schmolz hinweg wie der Rest seines Gesichts. Darunter kam eine grüne, schuppengepanzerte Haut zum Vorschein. Die gelben Augen eines Reptils sahen sie schillernd und kalt an.
    Im nächsten Augenblick streckte das Wesen die Hand nach Laima aus und blaue Entladungen schossen knisternd durch die Luft auf sie zu.
    Etwas schob sich zwischen sie und das Reptil und schützte sie. Eine Energie, die vom Avatar ausging. Sie sah, dass er jetzt nicht mehr blau war, sondern in verschiedenen Farben pulsierte. Lichtbahnen liefen über seinen Körper und wechselten ihre Farbe.
    Das grüne Reptil wandte sich ihm zu. Ein Gewitter aus blauen und roten Blitzen krachte gegen die Wände und erschütterte die Decke der Grotte. Beide versuchten, einander zu treffen und gleichzeitig die Schläge des andren abzuwehren. Ihre Blitze spalteten sich und rauschten durch die Grotte. Der Boden erschütterte unter jedem neuen Schlag.
    „Wir müssen hier raus“, schrie Laima in den Lärm. Die ersten Steine fielen von der Decke. Stalaktiten lösten sich und krachten als tonnenschwere Geschosse zu Boden.
    „Hier entlang“, sagte Slinkssons.
    Sie liefen, so schnell sie konnten, unter dem Flackern der Blitze und bemüht den herabfallenden Steinen auszuweichen, zum Ausgang. Hinter ihnen stürzten bereits die Säulen zusammen. Immer noch peitschten wilde Ausläufer des Kampfes quer durch die Grotte.
     
     
     

30
     
    Sie stürzten durch den Schleier des Gesteins.
    „Was ist da drinnen los?“, fragte von Stein, der immer noch neben dem halb ohnmächtigen Schüssli saß.
    „Später! Wir haben keine Zeit!“, sagte Slinkssons zu ihm.
    Risse brachen krachend entlang der Felswände. Steinsplitter flogen umher.
    „Wir müssen hier raus!“, rief Laima.
    „Figaro, Sam, fasst mit an. Wir müssen Roger rausbringen. Wo ist Lhatsen?“
    „Später“, rief Laima. „Los!“
    Sie packten Schüsslis Körper und hievten ihn zum Ausgang.
    Als sie die Tür aufstießen, sahen sie, dass es draußen dunkel war. Ein Sturm tobte. Schneegestöber erschwerte die Sicht.
    Sie traten aus der Höhle. Aber es war kein Sturm.
    Scheinwerfer sprangen an. Sie hörten die verzerrte Stimme aus einem Megafon. Laima spürte die Rotoren der Hubschrauber, die den Schnee aufwirbelten.
    „Lassen sie alles fallen und ergeben sie sich. Jeder Widerstand bringt den Tod.“
    Sie legten Schüssli in den Schnee.
    „Werfen sie ihre Waffen weg und heben sie die Hände.“
    Soldaten traten in die blendenden Scheinwerferkegel. Sie hatten Maschinengewehre. Das Letzte, was sie hörten, war das Zusammenbrechen der Höhle hinter ihnen.
     
     
    Laima saß in einem kahlen Raum. Ein Tisch, zwei Stühle. Die Luft war überheizt und stickig. Dem chinesischen Soldaten schien das nichts auszumachen.
    Dann ging die Tür auf.
    „Frau Liepa!“
    Zuerst zuckte sie zusammen, weil sie an Professor Bersinsch denken musste. Die Stimme redete auf Lettisch. Sie kannte diesen Mann.
    „Dr. Wu?“
    „Sie haben ausgesprochenes Glück, dass ich es bin. Ich kann ihnen versichern, in den Händen unsres lieben Generals Hüen wären sie jetzt gewiss nicht so wohlauf. Er ist zwar ein großartiger Stratege, was militärische Dinge angeht. Im Zwischenmenschlichen allerdings fehlt ihm das Feingefühl. Er wollte sie zu gerne

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