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Die Wesen (German Edition)

Die Wesen (German Edition)

Titel: Die Wesen (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Philip Lux
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Kopfsteinpflaster landete und vor Schmerz aufschrie.
    Rechts? Links? Links an der Johanneskirche entlang. Verkriechen. Aus der Schussbahn, dachte sie.
    Nach wenigen Metern schlug sie sich in den hinteren Eingang der Kirche. Sie lief noch einige Schritte und warf sich zwischen zwei Bänke. Ihr Herz schlug ihr bis zum Hals. Sie glaubte, ihr Puls hallte in der ganzen Kirche wider. Sie bekam kaum Luft.
    Ein Blick über die Reihen. Da!
    Draußen am Vordereingang humpelte der Polizist vorbei. Er wurde langsamer. Dann blieb er stehen. Ein zweiter, jüngerer Polizist stieß hinzu. Der Ältere blickte sich langsam um. Sie duckte sich. Hatte er sie gesehen? Laima presste sich flach auf den Boden. Sie hörte Stiefel zwischen den Bänken.
    Langsam wurde sie eingekreist. Sie saß in der Falle.
    Sie wartete den letzten Augenblick ab. Dann sprang sie aus der Deckung. Sie erschrak, wie nah die zwei Männer ihr waren. In absoluter Panik lief sie über die Lehnen der Bänke. Wie sie das Gleichgewicht hielt, war ihr ein Rätsel. Glücklicherweise ging der humpelnde Polizist in der äußeren Reihe. So konnte sie vor ihm den Ausgang erreichen. Der junge Polizist schaffte es fast, sie einzuholen, als der Korbwagen, den eine Bernsteinverkäuferin schob, ihn in die Hüfte traf, gerade als er die Kirche verlassen wollte.
    Laima bog um die Ecke des Pfarrhauses.
    Als die beiden angeschlagenen Polizisten die Ecke erreichten, war sie nirgends zu sehen.
    Laima war geradewegs in einen Touristenladen gestolpert. Aus dem Fenster sah sie, wie beide ratlos dastanden. Aber ihr war klar, dass ihr kaum Zeit blieb. Sie kaufte einen auffälligen roten Pullover mit der Aufschrift ,Latvija’ und eine dazu passende Schirmmütze.
    „Haben sie einen Hinterausgang?“, fragte sie den Verkäufer.
    „Dort“, und er zeigte auf eine Tür hinter dem Tresen.
     
    Auf dem Weg zum Bus liefen ihr zwei weitere Polizisten entgegen. Aufgeregt sprachen sie in ihre Funkgeräte. Laima zog den Schirm ihrer Mütze tiefer ins Gesicht und machte ihnen Platz.
    Dann stieg sie in den Bus.
    In der Stadt war ein Tourist das Unauffälligste, was es gab. Aber in den Randbezirken verhielt es sich genau umgekehrt. Sobald sie die Innenstadt verlassen hatte, zog sie die Sachen aus und stopfte sie neben sich in den Sitz.
    Laima fuhr nach Hause. So kam es ihr jedenfalls vor, wenn sie im Bus Nummer vierzehn Richtung Mezciems saß. Über zwanzig Jahre war es ihr Zuhause gewesen. Genau gegenüber lag die Gailezers Klinik, in der ihre Mutter arbeitete. Von der Nationaloper, wo ihr Vater als Bassbariton sang, nach Mezciems. Das war ihre Strecke. Der Bus kam zum Stehen. Der Verkehr staute sich. Sie standen im Wald. Es waren die Wälder ihrer Kindheit, die die Siedlung und die Klinik umgaben.
    Es ging nur langsam voran.
    Dann sah sie es, als der Bus aus dem Wald kam. Mitten auf der Kreuzung stand das Auto ihrer Mutter. Gerade zog ein Abschleppwagen es auf den Haken. Die Fahrerseite war völlig eingedrückt. Teile des Dachs waren herausgeschnitten. Blut. Überall Blut. Der Bus fuhr an und glitt an der Unfallstelle vorüber. Wie betäubt saß sie auf ihrem Sitz. Sie konnte es nicht begreifen.
     
    „Mezciems. Endstation, junge Frau. Hören sie mich?“
    Nur langsam drang die Stimme des Busfahrers in ihr Bewusstsein.
    „Aussteigen! Wenn ihnen nicht gut ist, gehen sie in die Notaufnahme. Die ist gleich dort drüben.“
    „Hatte ich sowieso vor“, antwortete sie abwesend.
     
    Das Krankenhaus kannte sie in- und auswendig. Durch die Notaufnahme ging sie zu den Fahrstühlen.
    „Laima!“
    „Vera.“
    Vera war die Oberschwester der Notaufnahme und ebenso lange wie ihre Mutter im Krankenhaus beschäftigt. Sie kannte Laima seit ihrer Geburt.
    „Ich war gerade bei deiner Mutter auf der Intensivstation. Es tut mir so leid. Wie konnte das nur passieren?“
    „Ich habe den Wagen gesehen. Sie wollte doch nur zur Arbeit.“
    „Aber sie hatte heute gar keinen Dienst.“
    „Jemand aus dem Krankenhaus hat doch angerufen und gesagt, es wäre jemand ausgefallen.“
    „Heute ist niemand ausgefallen.“ Vera schaute sie skeptisch an. „Und von uns hat niemand angerufen. Bestimmt nicht. Ich wüsste das, schließlich bin ich für die Diensteinteilung zuständig. In was ist deine Mutter da reingeraten?“
    „Reingeraten? Wie meinst du das?“
    „Vielleicht denkst du, ich spinne. Aber glaube mir, ich habe vierzig Jahre Kommunismus mitgemacht. Ich rieche Leute vom Geheimdienst hundert Meter gegen den Wind. Da

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