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Die Wesen (German Edition)

Die Wesen (German Edition)

Titel: Die Wesen (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Philip Lux
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an zwei Fingern über Hunderte Meter tiefen Abgründen hing.
    „Das ist meine Lieblingsbeschäftigung, wie sie sich vielleicht denken können“, sagte der drahtige Mann von den Fotos, der mit einem Glas Whiskey in der Hand von der Terrasse hereinkam. „Free Solo nennt sich das. Ohne Seil, ohne Sicherung. Gerold von Stein, mein Name.“
    Er machte eine angedeutete Verbeugung, als er Laimas Hand nahm.
    „Sie sind also Professor Bersinschs Ersatz. Eine schöne Überraschung, muss ich sagen.“
    „Ist das nicht leichtsinnig, das Klettern ohne Seil?“, fragte Laima.
    „Sie müssen sich selbst gut kennen und ihre Fähigkeiten richtig einschätzen. Leichtsinn hat da keinen Platz. Dann wäre ich längst nicht mehr hier“, sagte er mit einem charmanten Lächeln. „Professor Carlsen, ich freue mich, sie wiederzusehen“, sagte von Stein. „Ihr Assistent ist bereits da.“
    Hinter von Stein tauchte ein blonder, hünenhafter Mann mittleren Alters auf.
    „Figaro Slinkssons“, sagte er mit einem kaum merklichen schwedischen Akzent und schüttelte kräftig Laimas Hand.
    „Kommen sie doch mit hinaus“, sagte von Stein. „Der Tisch ist bereits gedeckt und Sam wird uns seine besten Kreationen auf dem Grill zaubern. Solange wir uns noch den Luxus der Bequemlichkeit leisten können, sollten wir es auch tun. Wer weiß, was unsere Expedition bereithält? Ob wir überhaupt je wieder in den Genuss von Gegrilltem kommen werden“, sagte er mit einem linkischen Lächeln.
    Er führte sie auf die Terrasse des Hauses, die weit über den Abgrund des Hangs reichte. In der Mitte stand ein stilvoll gedeckter Tisch. An der Seite ein Grill, an dem sich Sam zu schaffen machte. Sam war muskulös. Seine Haut von einem feinen, goldenen, milchkaffeefarbenen Teint.
    „Sam ,The Rock’ Jackson“, sagte Gerold von Stein im Tonfall eines Boxkampfpräsentators. Sam erwiderte den Kommentar, indem er seinen massigen Arm mit der Grillgabel in der Art eines Boxchampions in die Luft streckte.
    „Sam ist amerikanischer Grillweltmeister“, erläuterte von Stein.
    „Louisianischer Barbecuechampion“, verbesserte Sam ihn in breitem Südstaatenamerikanisch.
    „Er hat sich als Koch auf Trekking- und Bergsteigertouren spezialisiert. Ich selbst habe zwar noch nie einen Koch gebraucht, aber ich möchte ihnen doch den größtmöglichen Komfort bieten, der zur Verfügung steht. Meine Frau und meine zwei Töchter sind zurzeit gerade auf Sylt. Sonst leben wir in Monaco. Dies ist nur mein ganz privates Arbeitsdomizil. Meine Firma, die Bione Corporation, befindet sich ganz in der Nähe. Sie werden morgen die Gelegenheit haben, eine kleine Besichtigung zu machen. Übermorgen werden wir dann, nachdem sie mit allem Notwendigen ausgestattet sind, Richtung Himalaya starten. Aber jetzt bitte zu Tisch.“
    Roger Schüssli hatte ihr Gespräch vom Haus aus verfolgt. Er hatte noch keinen Fuß auf die Terrasse gesetzt.
    „Schüssli, kommen sie doch“, forderte von Stein ihn auf. „Ach, ich vergaß. Dann setzen sie sich wenigstens an die vom Terrassenrand entfernteste Seite. Kommen sie, tun sie uns den Gefallen.“
    Langsam kam Schüssli raus und bewegte sich unter großer Überwindung zum Stuhl, der nur wenige Meter von ihm entfernt stand.
    „Ich weiß, dass er Höhenangst hat. Aber was soll ich machen. Er ist meine rechte Hand. Irgendwie kriegen wir ihn schon über den Himalaya.“
     
    Was Sam ‚The Rock’ Jackson ihnen grillte, war köstlich. Shrimps, Auberginen, Rippchen. Alles mit einer besonderen Würze. Laima hatte seit heute Morgen nichts mehr gegessen und ihr Appetit kam ihr nicht besonders damenhaft vor. Aber in der Männerrunde fühlte sie sich schnell ausgelassen und entspannt. Ein angenehm kühler Wind wehte vom See herauf. Zürich zeigte sich im besten Licht, als sich die Stadt mit einsetzender Dämmerung in eine glitzernde Kulisse verwandelte. Sam, der Koch, setzte sich nach einem Dessert aus flambierten Bananen, die er ebenfalls auf dem Grill zubereitet hatte, zu ihnen an den Tisch.
    „Wissenschaft ist nichts anderes, als eine Frage des Glaubens“, sagte von Stein. „Bevor sie nicht an etwas glauben, stellen sie auch keine These dazu auf.“
    „Aber es gibt immer Phänomene, auf die man stößt“, warf Figaro Slinkssons ein.
    „Natürlich. Sie regen unsere Fantasie an. Beobachtungen stoßen die Türen zu neuen Realitäten auf. Newton sah den Apfel vom Baum fallen und glaubte, dahinter müsse eine Gesetzmäßigkeit stehen. Aber es wird nie

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