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Die Wesen (German Edition)

Die Wesen (German Edition)

Titel: Die Wesen (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Philip Lux
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werden.“
    „Figaro!“, sagte Professor Carlsen.
    Sie sahen aus den kleinen Fenstern der Maschine und erblickten den mächtigen Palast, der auf einem Berg innerhalb der Stadt thronte.
    „Wenn man sich vorstellt, dass die Chinesen mit aller Macht und härtester Brutalität gegen die Tibeter vorgehen“, sagte von Stein.
    „Was kann eine so schlimme Bedrohung für die Chinesen sein, dass sie es nötig haben, dieses Volk so drastisch zu unterdrücken?“, sagte Professor Carlsen.
    „Sie machen ja mit ihrem eigenen Volk nichts anderes. Wer gegen sich selbst mit aller Härte vorgeht, was erwarten sie dann von ihm anderen gegenüber?“, sagte Slinkssons.
    „Aber Buddhisten gehören doch zu einer der friedlichsten religiösen Bewegungen“, sagte Sam. „Man kann sie nicht mal wirklich als religiös bezeichnen, wenn man sie mit der Form von Fundamentalismus vergleicht, die wir vom Christentum kennen. Das Abschlachten der Heiden. Die Kriege im Namen der christlichen Werte. Ist das nicht pervers? Der Präsident der USA zettelt einen Krieg für Öl an und versteckt das alles hinter dem Gutmenschentum, die Welt von einem Diktator befreien zu wollen. Was ist daran anders, als die Missionierung der Heiden, denen man eigentlich nur ihre Schätze abnehmen will? Natürlich bringt man ihnen offiziell dafür die Botschaft des Herrn, nach der sie angeblich auch keine weltlichen Güter mehr brauchen. Das ist doch wie diese Gurus, die sich die Eier vergolden von dem, was sie ihren Mitgliedern abnehmen und behaupten, sie dadurch auch noch spirituell zu befreien.“
    „Bravo!“, sagte Slinkssons und klatschte in die Hände. „Ich wusste ja gar nicht, was in so einem Barbecuemeister alles steckt. Vielleicht das rebellische Erbe der Südstaaten? Oder ist es die unterdrückte schwarze Seele?“
    „Arschloch!“, sagte Sam und verschränkte die Arme vor der Brust.
     
    Es verging eine weitere Stunde, in der niemand ein Wort wechselte.
    „Bald wir in die Berge von Baian-Kara-Ula. Gut, dass ich Pakistani. Chinesische Pilot nix fliegen in Berge von Baian-Kara-Ula.“
    „Warum nicht? Ist diese Gegend irgendwie mit einem Fluch belegt?“, fragte Professor Carlsen und schaute auf Thian.
    „Chinesen abagläubisch, aba viel einfacha. Schauen“, und Kapitän Ranjid deutete nach vorn durch die Scheibe des Cockpits.
    Alle versuchten sich vorzubeugen, und dann sahen sie es. Eine dunkle schwarze Wand aus Wolken türmte sich vor ihnen auf. Zusammen mit den Bergen bildete sie eine bedrohliche, nahezu undurchdringliche Mauer, die aus einem Stück grauen Steins gemeißelt zu sein schien. Blitze zuckten im Dunkel der Wolken auf und verschwanden wieder wie geheimnisvolle Erscheinungen. Sie verliehen der grauen Masse ein Eigenleben. Als sei es ein lebendiger Organismus, der sie verdauen würde, sobald sie versuchten, in ihn einzudringen.
    „Und jetzt?“, fragte von Stein.
    „Durch“, sagte Kapitän Ranjid kurz.
    „Ich glaube, bei ihnen hakts“, sagte Sam.
    Trotz seiner imposanten Gestalt, die Stärke und Mut suggerierte, gewann Laima den Eindruck, dass Sam ‚The Rock’ Jackson sensibler, um nicht zu sagen ängstlicher war, als er aussah. Allerdings brachte er nur zum Ausdruck, was alle dachten, ohne so zynisch und bissig zu sein wie dieser Figaro Slinkssons, dachte sie.
    „Das sieht nach glattem Selbstmord aus“, sagte Professor Carlsen. „Thian, Sigarett pascholsta!“
    „Hier wird jetzt nicht geraucht!“, sagte Gerold von Stein streng. Dieser Tonfall erschien aus seinem Mund so ungewöhnlich, dass selbst Thian ohne Übersetzung die Zigarettenschachtel wieder zurück in seine Tasche steckte. „Gut, Kapitän“, sagte von Stein, „dann zeigen sie uns mal, was in ihnen und ihrer Mimi steckt.“
    „Aye-aye, Sir!“, erwiderte Kapitän Ranjid.
    Und im Sturzflug tauchte die Maschine in den Sturm.
     
     
     

9
     
    Auf einen Schlag wurde es dunkel. Die schwarze Wand hatte sie geschluckt. Nur eine kleine Glühbirne im Frachtraum und die Leuchten im Cockpit spendeten schwaches Licht. Die Maschine wurde hin und her geworfen, als ob eine riesige Hand das Flugzeug wie eine Konservendose schüttelte. Alle stemmten sich gegen die Wände, um nicht den Halt zu verlieren und von den Bänken zu fallen. Dazu hielten sie sich an den Deckenschlaufen fest. Der bewusstlose Roger Schüssli war zusätzlich mit einer Schnur angebunden, damit er nicht umfiel. Sein Oberkörper kippte ständig von einer Seite auf die andere.
    Thian war grün im Gesicht,

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