Die Wesen (German Edition)
was nicht an der Beleuchtung lag, wie Laima feststellte, als sie in die Gesichter der anderen sah. Sie selbst fühlte sich auch nicht wohl. Blitze flammten weniger Meter vor ihnen auf, kurz gefolgt von markerschütterndem Donner, der die Wände der Kabine erzittern ließ.
„Wow, wow, wow“, sagte Sam, „das hört sich nicht gut an.“
„Nix Problem. Selbst wenn die Blitz klopft in die Flugzeug. Mimi nix passieren. Flugzeug wie Käfig von Pharao.“
„Faraday. Ein Faradayscher Käfig“, sagte Slinkssons. „Der Strom wird abgeleitet. Im Inneren dieser Metallkiste kann uns nichts passieren.“
„Auch nicht, wenn man die Außenwand berührt?“, fragte Sam.
„Auch dann nicht“, sagte von Stein.
„Und die Elektrik ist auch nicht betroffen?“ Sam blieb skeptisch.
„Meine Mimi sicher“, sagte Kapitän Ranjid.
In diesem Moment krachte ein blendender Blitz in die Spitze des Flugzeugs.
„Oijoijoi“, entfuhr es Kapitän Ranjid.
„Ich sehe nichts mehr“, rief Sam.
Laimas Augen gewöhnten sich langsam wieder an die Dunkelheit. Thian war vor Schreck die unangezündete Zigarette aus dem Mundwinkel gefallen. Figaro Slinkssons kniff immer noch die Augen zusammen.
„Jesus, Maria und Josef!“, sagte Professor Carlsen. „Was war das denn?“
„Blitz in die Motor“, meldete Kapitän Ranjid.
Sie lauschten in die Stille. Nur das Pfeifen des Windes.
„Ist die Maschine ausgefallen?“, fragte von Stein, so ruhig es seine Anspannung erlaubt.
„Propella vielleicht nix drehen. Fur Mimi aba nix Problem.“
„Nix Problem, nix Problem. Wir werden abstürzen und sterben“, sagte Sam. „Was ist dann bitte auf dieser Welt ein Problem, wenn das nix Problem? Ich pfeife auf eure indische Wiedergeburt. Mir gefällt mein Leben ganz gut. Ich hänge dran und will noch nicht den Löffel abgeben.“
„Nix absturzen. Alle Löffel okay. Mimi is die Meista von die Fliegen wie Vogel. Vogel auch keine Motor.“
„Hör mal zu, du Vogel, wenn du nicht willst, dass ich dir gleich den Hals umdrehe, bring uns heil hier runter und hör mit deiner Weisheitsklugscheißerei auf. Ob deine Scheiße nun heilig ist oder nicht, ist mir gerade sowas von scheißegal.“ Sam verschränkte die Arme vor der Brust und sagte nichts mehr. Eine plötzliche Böe, die den Flieger in die Höhe riss, ließ ihn sofort wieder nach der Halteschlaufe greifen.
Kapitän Ranjid hatte alle Hände voll zu tun, die Maschine im Unwetter zu stabilisieren.
„Wie können sie überhaupt etwas sehen?“, sagte Figaro Slinkssons. „In dieser Wolkensuppe sieht man doch die Hand vor Augen nicht.“
„Gefuhl, meine Freund.“
„Das, was ihnen offenbar fehlt, mein Lieber“, sagte Professor Carlsen.
„Unde Vertrauen is imma gut.“
Sie glitten ohne Vortrieb durch Wind und Blitze. Laima betete, dass nicht Felsen vor ihnen in der Dunkelheit auftauchten. Dann wäre es sowieso nur ein kurzer Moment, bis alles vorbei war. Zu kurz, um irgendetwas zu verstehen. Es fühlte sich an, als brenne ihr Körper von innen. So groß war die Anspannung, das Warten auf den letzten Schlag, der ihr Leben beenden würde. Sie dachte an ihre Mutter, ihren Vater ...
Dann ein surrendes, knatterndes Geräusch.
„Was ist das?“, fragte von Stein.
„Die Motor is wieda da. Mimi, du bis die Beste!“
„Können wir nicht irgendwo landen?“, fragte Sam.
„Unta uns nur die Felsen von die Berge. Aba wir nix weit von die Landeplatz. Nur finden is nix leicht.“
Mimi verlor und gewann immer wieder an Höhe, sodass Laima das Gefühl hatte, jede Orientierung in den dichten Wolken zu verlieren. Sie verfielen alle in Schweigen. Nur der Oberkörper des schlafenden Schüssli pendelte hin und her und die Gemüsekiste mit Sams Einkäufen rutschte träge über den Boden, wenn die Maschine wankte. Die Blitze hatten nachgelassen. Das Donnern lag nun hinter ihnen. Aber der Himmel und die Wolken um sie herum waren immer noch schwarz und undurchdringlich.
„Jetzt wir nach Karte an die Platz, wo landen. Wenn nicht, dann wir treffen auf die Berg kaputt.“
„Klingt nach einem Plan“, sagte Figaro Slinkssons.
„Versuchen wirs“, sagte Gerold von Stein.
Langsam richtete Kapitän Ranjid die Nase seiner Mimi nach unten. Die Gemüsekiste rutschte fast bis ins Cockpit. Laima roch den Schweiß der andren. Trotz der Kälte schwitzten sie alle. Es war die Angst. Dazu der durchdringende Geruch von Schüsslis Urin.
Flatternde Wolkenfetzen. Es wurde heller. Zuckend und unruhig schlugen die
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