Die Wesen (German Edition)
Westen geflohen.
Als sie nun relativ schnell Nachricht erhielten, dass die alte Villa wieder in den Besitz der Familie überführt werden sollte, fuhren sie sofort hin. Das Haus hatte mehrere Jahre leergestanden. Niemand der Nachbarn konnte ihnen sagen warum. Es war in den Anfangsjahren des Sozialismus eine Funktionärsunterkunft gewesen. Dann war es lange ungenutzt geblieben. ‚Zu feudal für Parteibonzen’, sagten die Einen, ‚zu schlechte Bausubstanz und feuchtes Mauerwerk’, sagten die Anderen. Aber Martins Vater war Architekt und stellte schnell fest, dass trotz der von außen nass aussehenden Wände drinnen alles trocken und intakt war. Das Haus erwies sich als sehr schön und gut erhalten. Es war weniger heruntergewohnt als vermutet. So beschlossen sie, es im Handumdrehen zu renovieren und nahmen mich dazu mit.
Während im Garten geschuftet, Sand geschaufelt und Zement gemischt wurde, um den Wintergarten wieder herzurichten, wurde viel erzählt. Es ging um das Haus. Was dort früher alles geschehen war. Wie rauschende Feste gefeiert wurden und wie reich und bunt überhaupt das Leben der großindustriellen Vorfahren gewesen war.
Es war die Rede davon, welche wundervollen Bilder an den Wänden gehangen haben. Schnell wurde unsere Fantasie angeregt zu Spekulationen, die von Martin und mir kamen, vermischt mit dem Hörensagen seines Vaters, der alles nur aus den Geschichten seiner Frau kannte, die es aus der Sicht eines Kindes und jungen Mädchens wahrgenommen hatte. Es ging um geheime Kammern, die es in alten Häusern gab. In denen Schätze gehortet wurden, die es vor Neidern oder der Steuer zu verbergen galt.
So kam zur Sprache, dass es tatsächlich einmal eine ungewöhnliche und sehr alte und wertvolle Waffensammlung gegeben haben soll, wie Martins Mutter sagte. Sie habe sie als Kind immer bewundert. Alte, kunstvoll verzierte Musketen noch aus der Zeit ihrer Ur-ur-urgroßväter, die bereits über Jahrhunderte von Generation zu Generation weitervererbt wurden. Dann eines Tages seien sie über Nacht verschwunden.
Erst Jahre später habe ihr ihre Mutter erzählt, dass ihr Vater sie während des Krieges, als er auf Heimaturlaub war, aus Angst vor den herannahenden Truppen, vergraben hatte. Er hatte ihr gesagt wo. Aber er hatte ihr auch gesagt, dass sie nie danach suchen solle. Wir waren natürlich mit unserer Arbeit immer langsamer geworden und hingen an den Lippen von Martins Mutter.
‚Hier unter dem Apfelbaum hinter dem Haus’, sagte sie und deutete auf die Stelle neben uns, die von einem großen, alten Apfelbaum beschattet war. ‚Dort sollen sie vergraben sein’.
Wir waren wie elektrisiert. Wir hatten die ganze Zeit neben einem echten Schatz gearbeitet, uns sogar über ihm im Schatten auf dem Rasen ausgeruht. Und jetzt standen wir genau davor.
‚Nein, nein’, sagte Martins Vater. ‚Wir haben ein Haus geerbt. Das ist Glück genug. Das reicht doch?’
Diese Frage hätte er besser nicht gestellt. Es entbrannte eine hitzige Diskussion. Wir wollten in unserem jugendlichen Eifer natürlich sofort den Spaten in den Rasen schlagen. Auch Martins Schwester war gespannt, was wir finden würden. Martins Mutter wusste nicht so recht, war aber ebenso neugierig, ob die Geschichte wirklich stimmte. Genau das weckte schließlich auch das Interesse von Martins Vater. Es wurde noch spekuliert, Martins Großvater hätte die Gewehre vielleicht selbst wieder ausgegraben oder jemand anderer hätte sie mittlerweile gefunden. Und so wollten schließlich alle nachsehen, ob sich unter dem Apfelbaum tatsächlich der Schatz verbarg.
Man einigte sich darauf, die angefangene Arbeit zu Ende zu führen, eine kleine Erfrischung zu sich zu nehmen, um dann zum Abschluss des Tages den Schatz zu heben, wie wir alle hofften.
Es war Abend geworden, als wir uns alle unter dem Apfelbaum versammelten. Ein lauer Sommerwind wehte und es duftete nach Äpfeln. Obwohl es bereits dämmerte, war der sommerliche Himmel immer noch blau. Feierlich erhob Martins Vater den Spaten, um den ersten Stich zu machen, als von allen Seiten grüne Lichtkugeln heranschossen und wild durch die Luft wirbelten. Die Erscheinungen an sich waren nicht furchteinflößend, aber das, was von ihnen ausging, war es. Sie verbreiteten ein Gefühl blanker Angst. Es war eine eisige Kälte, die mich umfing. Panik und Schrecken. Ich bekam keine Luft mehr, hatte Kopfschmerzen und Schwindelgefühle. Dann wurde mir schlecht.
Wie lange das schaurige Spektakel dauerte,
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