Die Wespenfabrik
geführt wurde. Ich hatte den Drang, auf die Toilette zu
gehen, und bei jedem Schritt gingen von meinen Eingeweiden schlimmere
Krämpfe aus. Ich hatte die schreckliche Vision, daß mein
Körper aus zwei fast völlig gleich großen Abteilungen
bestünde, eine angefüllt mit Pisse, die andere mit
unverdautem Bier, Whisky, Crisps, gerösteten Erdnüssen,
Spucke, Rotz, Galle und dem einen oder anderen Brocken Fish and
Chips. Irgendein kranker Teil meines Gehirns bildete sich
plötzlich Spiegeleier ein, die in reichlich Fett schwammen,
umgeben von Speck, hochgekringelt und mit kleinen Vertiefungen, in
denen sich Fettpfützen gebildet hatten; der Rand des Tellers war
fleckig von Klumpen geronnenen Fetts. Ich kämpfte das aus meinem
Magen aufsteigende Ekelgefühl nieder und versuchte, an etwas Schönes zu denken. Als mir das nicht gelang,
beschloß ich, mich auf das zu konzentrieren, was sich um mich
herum abspielte. Wir hatten die Kneipe verlassen und gingen auf dem
Gehsteig an der Bank vorbei, Jamie zu meiner einen Seite, das
Mädchen auf der anderen. Die Nacht war wolkenverhangen und
kühl, und die Straßenbeleuchtung bestand aus
Natriumdampflampen. Wir ließen den Alkohol- und Tabakgestank
hinter uns, und ich versuchte, meinen Kopf von der frischen Luft
durchpusten zu lassen. Mir wurde bewußt, daß ich leicht
schwankte und hin und wieder Jamie oder das Mädchen anrempelte,
aber ich konnte es nicht verhindern; ich kam mir ungefähr vor
wie einer jener Urzeitdinosaurier, die so riesig waren, daß sie
buchstäblich ein Extragehirn brauchten, um ihre Hinterbeine zu
beherrschen. Ich schien ein Extragehirn für jedes einzelne
meiner Gliedmaßen zu haben, doch sie hatten offenbar die
diplomatischen Beziehungen untereinander abgebrochen. Ich taumelte
und stolperte voran, so gut es ging, auf mein Glück und die
beiden Menschen zu meinen Seiten vertrauend. Offen gestanden, hatte
ich weder zu dem einen noch zu dem anderen besonders großes
Vertrauen, da Jamie zu klein war, um mich aufzufangen, wenn ich
ernstlich stürzen sollte, und da das Mädchen eben nur ein
Mädchen war. Wahrscheinlich war sie ohnehin zu schwach, doch
selbst wenn sie es nicht war, erwartete ich von ihr, daß sie
mich mit dem Schädel auf das Pflaster knallen lassen würde,
weil Frauen den Anblick von hilflosen Männern
genießen.
»Seid ihr zwei beide immer wie de Ratten?« fragte das
Mädchen.
»Wie was?« sagte Jamie, nach meinem Empfinden ohne die
angemessene Empörung in der Stimme, aus der sich später
vielleicht ein Vorteil schlagen ließe.
»Daß de ihm auf’n Schultern sitzt?«
»Ne, ne, das war nur so, damit ich die Band besser sehen
kann.«
»Gott sei Dank. Ich dachte schon, ihr macht’s wie die
Ratten.«
»Ach so. Nö, aber wenn wir aufs Klo müssen, gehen
wir in ’n richtiges Kabuff. Frank benutzt die Schüssel,
während ich in den Spülkasten mache.«
»Machst wohl Witze?«
»Klar«, sagte Jamie mit einer Stimme, die durch ein
Grinsen verfremdet war. Ich ging weiter, so gut ich konnte, und
hörte mir all diesen Mist an. Ich war ziemlich sauer, daß
Jamie überhaupt etwas davon zur Sprache brachte, wenn auch nur
im Spaß, wie ich auf die Toilette zu gehen pflegte; er
weiß genau, wie empfindlich ich in dieser Hinsicht bin. Nur
ein- oder zweimal hatte er mich höhnisch zu dem angeblich so
interessanten Sport überreden wollen, in den ›Cauldhame
Arms‹ (anderswo wäre es vermutlich das gleiche Spiel
gewesen) die im Männerpissoir ertrunkenen Zigarettenkippen mit
dem Pinkelstrahl zu treffen.
Ich muß zugeben, daß ich Jamie dabei beobachtet habe
und einigermaßen beeindruckt war. Die Einrichtung in den
›Cauldhame Arms‹ eignet sich vorzüglich für
diesen Sport, da sie ein breites, langes rinnsteinartiges
Urinierbecken bietet, das sich über die ganze Länge einer
Wand und bis zur Mitte der nächsten erstreckt und nur einen
einzigen Abfluß besitzt. Laut Jamie bestand das Spiel darin,
eine aufgeweichte Zigarettenkippe von jeder beliebigen Stelle in dem
Kanal zu dem unbedeckten Loch zu treiben und hinunterzuspülen,
und sie unterwegs so weit wie möglich aufzulösen. Man
bekommt je einen Punkt für die Abschnitte in dem unterteilten
Keramikbecken, über die man den Stummel bewegt (und dazu einen
Extrapunkt, wenn es einem tatsächlich gelingt, ihn den
Abfluß hinunterzuspülen, und noch einen, wenn man es mit
einem Strahl vom anderen Ende des Rinnsteins bis zum Loch schafft),
sowie für die zustande gebrachte Zerstörung –
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