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Die Wespenfabrik

Die Wespenfabrik

Titel: Die Wespenfabrik Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ian Banks
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Nylonschnur und Zwirn und alle Arten
von kleinen Spangen und Schließen und Ösen und
Stücken von Seil und Gummiband und Draht und Nadeln und
Schrauben und Nägel und Bestandteile, die beim Auseinanderlegen
von Modellschiffen und verschiedenen Spielzeugen angefallen waren.
Ich fertigte eine Handwinde mit einer doppelten Kurbel und einem
Sperrhaken und Platz für einen halben Kilometer Zwirn auf der
Trommel; ich bastelte verschiedene Arten von Schwänzen für
diejenigen Drachen, die welcher bedurften, und Dutzende von
großen und kleinen Drachen, einige davon Kunstflugdrachen. Ich
bewahrte sie im Schuppen auf und mußte irgendwann, als die
Sammlung zu groß wurde, die Fahrräder nach draußen
unter eine Plane stellen.
    In diesem Sommer nahm ich Esmeralda ziemlich oft zum
Drachenfliegen mit. Ich ließ sie mit einem kleinen Drachen
spielen, der nur eine einzige Leine hatte, während ich mich mit
einem Kunstflugdrachen beschäftigte. Ich pflegte ihn über
und unter ihrem durchsausen oder ihn in den Sand hinabtauchen zu
lassen, indem ich auf einer Düne stand und den Drachen herabzog,
um prächtige Sandburgen, die ich gebaut hatte, zum Einsturz zu
bringen, ihn dann wieder hochzog, wobei der Drachen eine Spur von
Sprühsand aus der zusammengebrochenen Burg hinter sich herzog.
Obwohl es ziemlich lange dauerte und ich ein paar Bruchlandungen
machte, gelang es mir schließlich sogar, einen Damm mit einem
Drachen einzureißen. Ich vollführte derart geschickte
Sturzflüge damit, daß er jedesmal mit einer Ecke den Damm
streifte und schließlich eine Kerbe in die Barriere aus Sand
schlug, durch die das Wasser fließen konnte, woraufhin es bald
den ganzen Damm mitriß und das Dorf aus Sandhäusern
darunter überflutete.
    Eines Tages stand ich auf dem höchsten Punkt einer Düne
und kämpfte gegen den Wind an, der an dem Drachen zerrte, indem
ich die Leine mit festem Griff umfaßte und einholte und
losließ und anpaßte und drehte, bis sich bei einer
Drehung die Leine unversehens wie bei einer Strangulation um
Esmeraldas Hals legte, und damit war eine Idee geboren. Man
würde einen Drachen benutzen.
    Ich dachte schweigend darüber nach, blieb so auf der Stelle
stehen, als ob nichts anderes meine Sinne beschäftigte als die
ständigen Berechnungen hinsichtlich der Steuerung des Drachens,
und mir kam die Sache immer vernünftiger vor. Je mehr ich
darüber nachdachte, desto mehr nahm die Erkenntnis Formen an,
sie blühte regelrecht auf und steigerte sich schließlich
zu dem, was meiner Cousine zum Verhängnis werden sollte. In
diesem Moment grinste ich vor mich hin, so erinnere ich mich, und
brachte den Kunstflieger schnell und exakt über den Tang und das
Wasser, den Sand und die Brandung herunter, ließ ihn quer zum
Wind treiben, damit er einen Satz machte und ausbrach, kurz bevor er
das Mädchen erwischte, das auf einer Düne saß, mit
einer Leine in der Hand als Verbindung zum Himmel. Sie drehte sich
um, lächelte und schrie plötzlich auf, im Licht der
Sommersonne zappelnd. Ich lachte ebenfalls, während ich das Ding
am Himmel über mir und das Ding im Gehirn darunter
gleichermaßen gut beherrschte.
    Ich baute einen großen Drachen.
    Er war so groß, daß er nicht einmal in den Schuppen
paßte. Ich bastelte ihn aus alten Zeltstangen aus Aluminium,
von denen ich einige lange Zeit zuvor auf dem Speicher gefunden und
einige vom städtischen Müllplatz geholt hatte. Als
Spannmaterial benutzte ich anfangs schwarze Plastiksäcke,
später jedoch Zeltplane, ebenfalls vom Speicher.
    Als Leine nahm ich schwere orangefarbene Angelschnur, die um eine
eigens angefertigte Trommel mit Handkurbel gewickelt war, die ich
verstärkt und mit Gurtband umwickelt hatte. Der Schwanz des
Drachens bestand aus verzwirbelten Zeitschriftenseiten - Waffen und
Munition, die ich zu jener Zeit abonniert hatte. Ich malte mit
roter Farbe einen Hundekopf auf die Planen, weil ich damals noch
nicht wußte, daß ich kein Canis war. Mein Vater hatte mir
Jahre zuvor erzählt, daß ich unter dem Sternzeichen des
Hundes geboren sei, weil Sirius zu jener Zeit am höchsten stand.
Na ja, das war sowieso nur ein Symbol.
    Eines Morgens ging ich sehr früh hinaus, kurz nach
Sonnenaufgang und lange bevor irgend jemand sonst wach war. Ich begab
mich zum Schuppen, holte den Drachen heraus, marschierte an den
Dünen entlang und baute ihn nebenher zusammen, schlug einen
Zelthering in den Boden, verknotete das Nylonband darum herum und
ließ den Drachen eine Weile an der kurzen

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