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Die Wespenfabrik

Die Wespenfabrik

Titel: Die Wespenfabrik Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ian Banks
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entfernten. Ich versuchte, mein
angeschlagenes Ego ein wenig zu verhätscheln.
    Nachdem meine verschwommene Sicht wieder etwas geschärft war,
sah ich auf der anderen Seite des Bunkers den Schädel noch immer
glühen, die Flamme noch immer brennen. Ich starrte sie an, hob
die rechte Hand und fing an, daran zu lecken. Ich blickte umher, um
zu sehen, ob mein Schleuderflug irgend etwas beschädigt hatte,
aber soweit ich sehen konnte, war alles an seinem alten Platz; ich
allein war in Mitleidenschaft gezogen. Ich seufzte zitternd und
entspannte mich, indem ich den Kopf an den kühlen Beton der Wand
hinter mir legte.
    Nach einer Weile beugte ich mich vor und legte die Innenseite
meiner Hand, die immer noch zitterte, auf den Boden des Bunkers, um
sie zu kühlen. Ich ließ sie dort eine Zeitlang liegen,
dann nahm ich sie hoch und wischte etwas von der Erde von ihr ab,
blinzelnd, um zu erkennen, ob die Verletzung sichtbar war, doch das
Licht war zu schlecht. Ich rappelte mich langsam auf und ging zum
Altar. Ich steckte die seitlichen Kerzen mit zitternden Händen
an, legte die Wespe zusammen mit dem Rest in dem Plastikbehälter
links auf den Altar und verbrannte seinen vorläufigen Sarg auf
der Metallplatte vor dem Alten Saul. Erics Foto fing Feuer, das
jungenhafte Gesicht wurde von den Flammen ergriffen. Ich blies durch
eins der Augen des Alten Saul und löschte die Kerze.
    Fast hätte ich Erfolg gehabt. Ich war sicher, daß ich
Eric im Griff gehabt hatte, daß ich seinen Geist unter meiner
Hand gefühlt hatte und daß ich ein Teil von ihm gewesen
war, die Welt mit seinen Augen gesehen hatte, gehört hatte, wie
das Blut in seinem Kopf pulsierte, den Boden unter seinen
Füßen gespürt hatte, seinen Körper empfunden und
seine letzte Mahlzeit geschmeckt hatte. Aber er war zuviel für
mich gewesen. Die Feuersbrunst in seinem Kopf war zu stark, als
daß irgendein Mensch mit gesundem Verstand damit fertig werden
könnte. Sie hatte die krankhafte Stärke rückhaltloser
Inbrunst an sich, zu der nur die hochgradig Verrückten andauernd
in der Lage sind, die grimmige Soldaten und überaus aggressive
Sportler eine Zeitlang aufbringen. Jede Faser von Erics Gehirn war
auf seine Mission konzentriert, Feuer zurückzubringen und zu
entfachen, und kein normales Gehirn – nicht einmal meins, das
weit davon entfernt war, normal zu sein, und das mehr Macht hatte als
die meisten – konnte es mit diesen geballten Kräften
aufnehmen. Eric hatte sich dem totalen Krieg verschrieben, ein
Dschihad; er ritt auf dem Göttlichen Wind zumindest seiner
eigenen Zerstörung entgegen, und es gab nichts, womit ich ihn
aufhalten konnte.
    Ich schloß den Bunker ab und ging am Strand entlang nach
Hause, wieder mit gesenktem Kopf und noch nachdenklicher und
besorgter, als ich auf dem Weg hinaus gewesen war.
     
    Den Rest des Tages verbrachte ich im Haus, lesend und fernsehend
und die ganze Zeit über nachdenkend. Aus meinem Innern heraus
konnte ich nichts für Eric tun, also mußte ich meine
Angriffsrichtung ändern. Meine persönliche Mythologie, vor
dem Hintergrund der Fabrik, war wandelbar genug, um den Fehlschlag
hinzunehmen, den ich soeben erlitten hatte, und eine solche
Niederlage als Wegweiser zu einer wirklichen Lösung zu nutzen.
Meine Voraustruppen hatten sich die Finger verbrannt, aber ich hatte
immer noch all meine anderen Waffen. Ich würde als Sieger aus
der Sache hervorgehen, jedoch nicht aufgrund der direkten Anwendung
meiner Kräfte. Oder immerhin nicht durch die direkte Anwendung
irgendeiner anderen Kraft als der intelligenten Fantasie, und das war
letztendlich die Basis aller Dinge. Wenn sie der Herausforderung, die
Eric darstellte, nichts entgegenzusetzen hatte, dann verdiente ich es
nicht besser, als vernichtet zu werden.
    Mein Vater war immer noch mit Anstreichen beschäftigt; er
quälte sich mit der Farbdose und dem Pinsel, den er sich
zwischen die Zähne geklemmt hatte, auf einer Leiter zu den
oberen Fenstern hinauf. Ich bot ihm meine Hilfe an, doch er bestand
darauf, es allein zu schaffen. Ich hatte in der Vergangenheit selbst
ein paarmal die Leiter benutzt, und zwar bei dem Versuch, ins
Arbeitszimmer meines Vaters zu gelangen, doch er hatte spezielle
Riegel vor den Fenstern und sogar ständig die Rolläden
heruntergezogen und die Vorhänge geschlossen. Ich freute mich
über die Schwierigkeiten, die er hatte, die Leiter
hinaufzusteigen. Er würde es niemals bis zum Dachboden schaffen.
Es kam mir in den Sinn, wie gut es war, daß das

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