Die Wespenfabrik
noch mal an, aber wie auch immer, wir sehen uns bald.
Tschüsi!«
Bevor ich etwas sagen konnte, war die Verbindung abgebrochen, und
ich stand innerlich tobend und streitsüchtig da, mit dem Telefon
in der Hand, das ich anstarrte, als wäre es an allem schuld. Ich
war versucht, damit irgendwo draufzuschlagen, kam aber zu dem
Schluß, daß das wie ein schlechter Scherz wäre, also
knallte ich ihn statt dessen auf die Gabel. Als Antwort gab der
Apparat ein einmaliges Klingeln von sich, und ich bedachte ihn noch
mal mit einem giftigen Blick, dann wandte ich ihm den Rücken zu
und stapfte hinunter, warf mich in einen Sessel und drückte die
Knöpfe der Fernsehbedienung, einen nach dem anderen, durch alle
Kanäle, immer wieder, ungefähr zehn Minuten lang. Am Ende
dieser Episode kam ich zu der Feststellung, daß ich genausoviel
davon hatte, drei Programme gleichzeitig zu verfolgen (die
Nachrichten, wieder mal eine grauenvolle amerikanische Kriminalserie
und eine Sendung über Archäologie), wie wenn ich mir die
verdammten Dinge getrennt ansähe. Ich schleuderte die
Fernbedienung wütend weg und stürmte hinaus in das
schwindende Licht, um ans Wasser zu rennen und ein paar Steine in die
Wellen zu werfen.
9
WAS MIT ERIC PASSIERT IST
Ich schlief ziemlich lange, jedenfalls für meine
Verhältnisse. Mein Vater war genau im selben Moment nach Hause
zurückgekehrt, als auch ich vom Strand kam, und ich war sofort
ins Bett gegangen, so daß ich schön ausgiebig schlafen
konnte. Am Morgen rief ich Jamie an, bekam seine Mutter an den
Apparat und erfuhr, daß er zum Arzt gegangen war, aber bald
wieder da sein müßte. Ich packte mir Sachen und
Verpflegung für einen Tag ein, sagte meinem Vater, daß ich
am frühen Abend zurück sein würde und machte mich auf
den Weg in die Stadt.
Jamie war zu Hause, als ich bei ihm ankam. Wir tranken ein paar
Dosen im alten ›Red Death‹ und unterhielten uns über
dies und das; später, nachdem wir gemeinsam einen
Vormittagsimbiß und einige selbstgebackene Plätzchen von
seiner Mutter verzehrt hatten, verließ ich ihn und machte mich
auf den Weg aus der Stadt hinaus und zu den Hügeln dahinter.
Hoch auf einer mit Heidekraut bewachsenen Kuppe, an einem sanften
Hang aus Stein und Erde über der Baumgrenze, saß ich auf
einem großen Felsbrocken und verspeiste mein Mittagessen. Ich
blickte in die im Hitzedunst liegende Ferne, über Porteneil
hinweg, das Weideland, gesprenkelt mit weißen Schafen, die
Dünen, den Müllplatz, die Insel (nicht daß man sie
als solche hätte erkennen können; sie sah wie ein Teil des
Festlandes aus), den Strand und das Meer. Wenige Wolken schwebten am
Himmel; sein Blau tauchte den Anblick in Farbe, verebbte jedoch zum
Horizont hin und über der ausgedehnten Fläche von
Förde und Meer zu fahler Blässe. Lerchen sangen über
mir in der Luft, und ich beobachtete einen Bussard im Gleitflug, der
nach einer Bewegung im Gras oder im Heidekraut, Ginster und
Dornengestrüpp unter ihm Ausschau hielt. Insekten summten und
tanzten, und ich schwenkte einen Farnfächer vor meinem Gesicht,
um sie zu vertreiben, während ich meinen Sandwich aß und
meinen Orangensaft trank.
Zu meiner Linken verliefen die Gipfel der Hügel nach Norden,
je weiter entfernt, desto höher, und verblaßten zu einem
Graublau, das in der Ferne schimmerte. Ich betrachtete die Stadt
unter mir durch das Fernglas, sah Lastwagen und Personenautos auf der
Hauptstraße dahinfahren und verfolgte einen Zug auf seinem Weg
nach Süden; er hielt in der Stadt und fuhr wieder an,
schlängelte sich durch die Ebene vor dem Meer.
Hin und wieder habe ich Lust, die Insel zu verlassen. Ich
möchte mich nicht allzuweit von ihr entfernen, wenn möglich
möchte ich sie immer noch sehen können, aber es ist gut,
wenn man sich selbst manchmal an einen anderen Ort versetzt, um eine
Perspektive aus einiger Entfernung zu bekommen. Natürlich
weiß ich, was für ein winziges Stückchen Land sie
ist; ich bin kein Dummkopf. Mir ist die Größe des Planeten
Erde bekannt, und ich weiß, wie gering der Teil davon ist, den
ich kenne. Ich habe im Fernsehen zu viele Sendungen über
Reiseabenteuer und die Natur gesehen, um nicht zu erkennen, wie
begrenzt mein eigenes Wissen und meine persönlichen Erfahrungen
hinsichtlich anderer Gegenden sind, aber ich möchte mich nicht
weiter von meinem Zuhause entfernen, ich habe keinen Drang, zu reisen
oder fremde Gebiete zu sehen oder andersartige Menschen
kennenzulernen. Ich weiß, wer
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