Die Wespenfabrik
etwas
erzählt hatte. Er hatte sich in ein Mädchen verliebt, und
die Sache endete unglücklich, weil sie ihm eröffnete,
daß sie ihn doch nicht liebte, und mit einem anderen wegging.
Seine Migräneanfälle waren danach eine Zeitlang ganz
besonders schlimm und beeinträchtigten seine Arbeit. Sowohl aus
diesem Grund als auch wegen des Mädchens hatte er inoffiziell in
dem Krankenhaus in der Nähe der Universität gearbeitet, er
half den Schwestern der Nachtschicht und saß mit seinen
Büchern in dem dunklen Stationszimmer, während die Greise
und die Kinder und all die anderen Kranken stöhnten und
husteten.
So war es auch in der Nacht, in der er sein unangenehmes Erlebnis
hatte. Er war auf einer Station mit Babys und Kindern, die so
mißgestaltet waren, daß sie außerhalb des
Krankenhauses keine Lebenschance gehabt hätten, und auch in der
Obhut der Klinik würden sie nicht allzulang überdauern. Wir
erfuhren das meiste darüber, was geschehen war, aus dem Brief
einer Krankenschwester, die mit meinem Bruder befreundet gewesen war,
und in ihrem Brief ließ sie anklingen, daß sie es
für falsch hielt, daß einige der Kinder am Leben gehalten
wurden; offensichtlich dienten sie nur dazu, von Ärzten und
Professoren als Demonstrationsobjekte für die Studenten benutzt
zu werden.
Es war eine heiße, drückende Nacht im Juli, und Eric
befand sich unten in dem gespenstischen Raum, in der Nähe des
Heizungsraums des Krankenhauses und der Abstellkammern. Er hatte den
ganzen Tag über unter Kopfschmerzen gelitten, und während
seines Aufenthalts auf der Station hatten sie sich zur Migräne
verschlimmert. Die Lüftungsanlage war einige Wochen lang defekt
gewesen, und Techniker hatten an dem System gearbeitet; in dieser
Nacht war die Luft in den Räumen heiß und stickig, und
Erics Migräne war unter solchen Bedingungen schon immer
besonders schlimm gewesen. Eine Stunde später oder so sollte
jemand kommen, um ihn abzulösen, sonst hätte vermutlich
selbst Eric sich geschlagen gegeben und wäre in seinen Ruheraum
gegangen, um sich hinzulegen. So jedoch ging er durch die Station,
wickelte Babys neu und beruhigte quengelnde Kleinkinder und wechselte
Verbände oder tauschte Tropfflaschen aus und erledigte sonst
noch allerlei Unangenehmes, während sein Kopf sich
anfühlte, als wollte er sich spalten, und seine Sicht durch
Lichtflimmern und Linien gestört war.
Das Kind, das er in dem Moment versorgte, als es geschah,
vegetierte mehr oder weniger dahin. Zusätzlich zu anderen
Behinderungen war es vollkommen unfähig, das Wasser zu halten,
nicht in der Lage, einen anderen Ton als ein Gurgeln hervorzubringen,
es hatte seine Muskeln nicht unter Kontrolle – selbst sein Kopf
mußte mit einem Gestell gestützt werden –, und es
trug eine Metallplatte auf dem Kopf, weil die Knochen, die seinen
Schädel hätten bilden sollen, niemals zusammengewachsen
waren, und selbst die Haut über seinem Gehirn war
papierdünn.
Alle paar Stunden mußte es mit einer speziellen Mischung
gefüttert werden, und damit war Eric gerade beschäftigt,
als es passierte. Ihm war aufgefallen, daß das Kind ein wenig
ruhiger war als normalerweise, es saß nur schlaff in seinem
Stuhl und starrte geradeaus, leicht atmend, mit verhangenen Augen und
einem fast friedlichen Ausdruck auf dem üblicherweise leeren
Gesicht. Es schien jedoch nicht in der Lage zu sein, Nahrung
aufzunehmen – eine der wenigen Handlungen, die es normalerweise
wahrnahm und bei der es sogar mitwirkte. Eric war geduldig und hielt
den Löffel vor die ins Nichts starrenden Augen; er führte
ihn zu den Lippen, woraufhin das Kind gewöhnlich die Zunge
herausgestreckt oder versucht hätte, sich nach vorn zu beugen,
um den Löffel in den Mund zu kriegen, doch in dieser Nacht
saß es einfach nur da, weder gurgelnd, noch mit seinem Kopf
wackelnd, noch sich hin- und herwerfend, noch mit den Armen um sich
schlagend, noch mit den Augen rollend, sondern einfach nur starrend
und starrend, mit diesem seltsamen Ausdruck im Gesicht, der als
Glück mißdeutet hätte werden können.
Eric blieb beharrlich, rückte mit seinem Stuhl näher und
versuchte, den drückenden Schmerz in seinem Kopf zu ignorieren,
während die Migräne immer schlimmer wurde. Er sprach sanft
auf das Kind ein – was im allgemeinen zur Folge hatte, daß
es die Augen verdrehte und den Kopf in die Richtung der Quelle des
Geräuschs umwandte, was in dieser Nacht jedoch keinerlei Wirkung
zeitigte. Eric prüfte anhand des Blattes Papier
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