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Die Wespenfabrik

Die Wespenfabrik

Titel: Die Wespenfabrik Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ian Banks
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und
fast alle Wesen, bei denen es uns gelungen ist, lange genug mit
unserer Gier und Gefräßigkeit Einfluß
auszuüben. Manchmal kommt mir der Gedanke, daß das gleiche
vielleicht mit Frauen geschehen ist, doch so verlockend diese Theorie
auch sein mag, ich glaube, in dieser Hinsicht liege ich falsch.
     
    Ich war rechtzeitig zum Abendessen zu Haus, schlang meine Eier
samt Steak und Pommes frites und Bohnen hinunter und verbrachte den
Rest des Abends damit, fernzusehen und mit einem angespitzten
Streichholz Stückchen von toter Kuh aus meinem Mund zu
puhlen.

 
10
GEHETZTER HUND
     
     
    Es hat mich immer geärgert, daß Eric verrückt
geworden ist. Obwohl das nicht etwas ist, das man an- und ausschalten
kann, in der einen Minute geistig gesund, in der nächsten
verrückt, glaube ich, daß es keinen Zweifel daran geben
kann, daß der Vorfall mit dem lächelnden Kind in Eric
etwas ausgelöst hat, das fast unweigerlich zu seinem Untergang
führen mußte. Etwas in ihm wurde nicht damit fertig, was
geschehen war, das, was er gesehen hatte, konnte er nicht in Einklang
bringen mit seiner Vorstellung davon, wie die Dinge zu sein haben.
Vielleicht hegte er im tiefsten Innern, begraben unter Schichten von
Zeit und Überwucherungen, wie die römischen Überreste
in einer modernen Stadt, immer noch den Glauben an Gott, und konnte
die Erkenntnis nicht ertragen, daß ein derart
unwahrscheinliches Wesen, sofern es wirklich existierte, es
zuließ, daß einem seiner Geschöpfe, die er doch
angeblich nach seinem Ebenbild geschaffen hatte, etwas Derartiges
zustieß.
    Was immer es war, das damals in Eric ausrastete, jedenfalls
stellte seine Reaktion eine Schwäche dar, einen
grundsätzlichen Makel, den ein echter Mann nicht haben durfte.
Frauen, so wußte ich aus Hunderten – wenn nicht Tausenden
– von Filmen und Fernsehstücken, haben keine
Widerstandskraft, wenn ihnen wirklich etwas Ernstes
zustößt; sie werden vergewaltigt, oder ein geliebter
Mensch stirbt, und sie drehen vollkommen durch, werden verrückt
und begehen Selbstmord oder grämen sich schlichtweg zu Tode.
Natürlich ist mir klar, daß nicht ausnahmslos alle so
reagieren, doch offenbar ist es die Regel, und diejenigen, die ihr
nicht gehorchen, sind in der Minderzahl.
    Es muß ein paar starke Frauen geben, Frauen mit mehr
männlichen Wesenszügen als die meisten, und ich habe den
Verdacht, daß Eric das Opfer eines Ichs wurde, in dem etwas
zuviel weibliche Wesenszüge vorhanden waren. Diese
Empfindsamkeit, dieses Bestreben, niemanden zu verletzen, die
einfühlsame, geistreiche Klugheit – über diese
Eigenschaften verfügte er, weil er zu sehr wie eine Frau dachte.
Bis zu seinem abscheulichen Erlebnis hat ihn das nie besonders
gestört, doch in diesem Moment, unter diesen extremen
Bedingungen, reichte es aus, um ihn zu zerbrechen.
    Ich gebe meinem Vater die Schuld daran, ganz zu schweigen von
jener Nutte, wer immer sie gewesen sein mag, die ihn damals wegen
eines anderen Kerls verlassen hat. Meinen Vater trifft zumindest ein
Teil der Schuld, wegen des Unfugs, den er in den ersten Jahren mit
Eric getrieben hat, indem er ihm gestattete, sich nach seiner
Vorliebe zu kleiden, und ihm die Wahl ließ zwischen Hosen und
Röcken; Harmsworth und Morag Stove machten sich durchaus mit
Recht Sorgen um die Art und Weise, wie ihr Neffe aufgezogen wurde,
und sie taten genau das Richtige, indem sie anboten, sich um ihn zu
kümmern. Vielleicht wäre alles ganz anders gelaufen, wenn
mein Vater nicht diese albernen Ideen gehabt hätte, wenn meine
Mutter Eric nicht verabscheut hätte, wenn die Stoves ihn
früher zu sich genommen hätten; aber es ist nun mal so
passiert, wie es passiert ist, und ich hoffe immerhin, daß mein
Vater bei sich selbst ebensoviel Schuld sieht wie ich bei ihm. Ich
wünschte mir, daß er das Gewicht dieser Schuld
unablässig auf sich lasten fühlt und es ihm schlaflose
Nächte bereitet und Alpträume beschert, durch die er in
kühlen Nächten schweißgebadet aufwacht, falls er doch
einmal schläft. Er verdient es nicht anders.
     
    Eric rief an diesem Abend nach meinem Spaziergang in den
Hügeln nicht an. Ich ging ziemlich früh ins Bett, aber ich
bin sicher, ich hätte das Telefon gehört, wenn es
geklingelt hätte. Ich schlief die Nacht ohne Unterbrechung
durch, da ich nach meinem ausgedehnten Ausflug sehr müde war. Am
nächsten Morgen stand ich zur üblichen Zeit auf, ging
hinaus, um in der Kühle des Morgens einen Spaziergang am Strand
zu machen, und kam

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