Die widerspenstige Braut
anderen Mädchen erzählt, was in etwa in ihrem Körper passiert war und was sie tun musste. Sie hatte sich in den Schlaf geweint, ihre Mutter vermisst wie nie zuvor. Kein Mädchen sollte diesen Tag allein und mit Furcht erleben müssen.
Ein scharfes Klopfen an der Tür ließ sie hochfahren.
Wer
denn jetzt schon wieder?
Sie wusste es natürlich. Sie hätte allein aufgrund dieses herrischen Klopfens sagen können, dass Colonel Gregory vor ihrer Tür stand.
Aber sie musste versuchen, ruhig zu bleiben. Sie hatte ihre Lektion gelernt. Sie musste ihr Temperament zügeln, ihm nicht erlauben, außer Kontrolle zu geraten – oder alle Probleme, die sie von London in diese gottverlassene Provinz vertrieben hatten, würden sie wieder umzingeln.
Sie glitt aus dem Bett und griff nach ihrem blassblauen Morgenmantel aus Flanell. Sie warf ihn über, verschnürte den Gürtel in der Taille und öffnete die Tür.
Er trug schwarze Reitkleidung und kniehohe schwarze Stiefel. Stulpenhandschuhe aus Leder hingen an seinem Gürtel. Er sah aus, wie er in der ersten Nacht ausgesehen hatte, als sie ihm auf der Straße begegnet war, finster, rechtschaffen und wütend.
Dazu verliehen ihm seine schrägen Augenbrauen ein teuflisches Aussehen.
Glaubte er, sie erschrecken zu können? Zorn stieg in ihr auf.
Er ergriff ihren Arm, zog sie in den von Kerzenlicht erleuchteten Flur und schloss leise die Tür hinter ihr. »Wo ist meine Tochter Agnes?«
Er kannte die Antwort. Er hatte das Kind gesehen, aber wenn er unbedingt ein Spiel mit ihr spielen wollte, konnte sie durchaus mithalten. »In meinem Bett. Sie schläft, und wissen Sie warum?«
»Weil meine Gouvernante sich nicht an einen einfachen Befehl halten kann.«
»Weil ihr Vater unfähig ist.«
Seine blauen Augen weiteten sich, dann wurden sie ganz schmal. »Wovon zur Hölle reden Sie da?«
»Dieses Kind« – Samantha wies mit einem Ruck ihres Kinns zu ihrer Schlafzimmertür – »
Ihr
Kind wusste nicht, was mit ihm geschah.«
Es sprach immerhin für ihn, dass er besorgt aussah. »Was
ist
mit ihr geschehen?«
Sie machte sich nicht die Mühe, ihn zu beruhigen oder gar zartfühlend mit ihm umzugehen. »Sie wurde eine Frau heute Nacht.«
Er starrte sie verständnislos an.
Mit aufreizender Geduld teilte ihm Samantha mit: »Ihre monatliche Blutung hat eingesetzt.«
Er fuhr zurück. »Miss Prendregast! Dies ist kein Thema, das ich mit Ihnen diskutieren werde!«
Wie konnte er es wagen? »Mit wem sollte ich es denn diskutieren? Oder sagen wir lieber, weil das eher den Punkt trifft, mit wem sollten Sie es diskutieren? Sie sind ihr Vater. Sie haben darauf bestanden, dass Sie die Verantwortung für alles, was Ihre Töchter betrifft, übernehmen. Aber Sie wollen diese grundlegende Körperfunktion, die jede von ihnen erleiden wird, ignorieren?«
Er öffnete den Mund, dann schloss er ihn wieder. Zum ersten Mal, seit sie ihm begegnet war, schien es ihm die Sprache verschlagen zu haben. Schließlich brachte er heraus: »Ich habe nichts ignoriert, was meine Töchter betrifft. Aber dies ist eine natürliche Körperfunktion, über die sie, davon war ich fest überzeugt, eine ihrer Lehrerinnen ins Bild gesetzt hat.«
»Es stand nicht auf dem Stundenplan.« Sie lehnte sich gegen die Wand und verschränkte ihre Arme, um sich daran zu hindern, ihn durchzuschütteln. »Frauen reagieren da nicht anders als Männer. Keine Frau möchte einem Kind mitteilen, dass sich sein glückliches, sorgloses Leben ändern wird, dass sein Körper sich zur Fraulichkeit entwickelt und dass manchmal diese Entwicklung schmerzhaft und sozusagen unsauber ist. Wie können Sie es wagen anzunehmen, dass irgendjemand Fremdes sich um etwas so Wichtiges kümmern würde?«
»Miss Prendregast, Sie werden nicht weiter auf diese Art und Weise mit mir reden.«
Ihr Entschluss, ruhig zu bleiben, schmolz dahin, und ihr Temperament galoppierte mit ihr davon. »O doch, das werde ich. Irgendjemand muss so mit Ihnen reden. Sie leben fröhlich und vergnügt vor sich hin, bleiben die ganze Nacht weg und wissen nicht, dass Ihre Kinder sich um Sie sorgen, wissen nicht, dass Ihre Kindermädchen Komplotte schmieden gegen Ihre Gouvernante, sind sich Kylas Husten nicht bewusst und Maras Ängste, wissen nichts von Vivians Albträumen und Agnes’ Periode. Sie glauben, es ist sehr demokratisch, dass Sie zusammen mit Ihren Kindern zu Abend essen. Aber Sie stellen gleichzeitig sicher, dass die Unterhaltung keine wirkliche Unterhaltung ist, sondern sich
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