Die widerspenstige Braut
diese monatlichen Blutungen erzählen. Schlimm genug, dass sie damit zurechtkommen musste; aber ganz gewiss hatte sie nicht das Bedürfnis, darüber zu reden. »Woher weißt du das?«
Vivian steckte ihren Kopf unter die Decke.
Agnes tat es ihr nach.
»Gestern Nacht, als alle schon geschlafen haben, bin ich aufgestanden, weil ich mal musste, und rate mal, was ich im Korridor gesehen habe?«
»Was denn?«
»Vater hat Miss Prendregast geküsst.«
»Nein!« Nein, Miss Prendregast war im Bett gewesen, zusammen mit Agnes.
»Doch. Ich sage dir, ich habe es gesehen.«
Natürlich, Agnes hatte ja geschlafen. Hatte tief und fest bis zur Morgendämmerung geschlafen, bis Miss Prendregast sie geweckt und in ihr eigenes Bett zurückgeschickt hatte.
»Er hat sie geküsst, als ob … ich weiß auch nicht … als ob …«
Vivian hatte Schwierigkeiten, die richtigen Worte zu finden.
Mit steigender Aufregung half Agnes ihr. »Als ob er sie mögen würde?«
»Ja! Und sie hatte ihr Nachthemd an!« Vivian klang schockiert. »Was sollen wir tun?«
Auf diese Weise hatten sie üblicherweise ausgeheckt, wie sie ihre Gouvernanten loswerden konnten. Im Bett, zusammen, mit den Köpfen unter der Bettdecke. Aber dies hier war etwas anderes. Es fühlte sich anders an, und besser. »Meinst du damit … dass wir Miss Prendregast vertreiben sollen?«, fragte Agnes unsicher.
»Nein, Dummerchen! Wir sollten dafür sorgen, dass Vater sie heiratet!«
Agnes entspannte sich wieder. »So dass wir wieder eine Familie sind.«
»Das ist es, was ich mir wünsche.«
»Oh, ich auch.«
Plötzlich waren energische Schritte zu hören. Eine einzige Kerze gab ein schwaches Licht, und die Mädchen lugten so weit unter ihrer Bettdecke hervor, dass sie die Haushälterin, geschmückt mit einer Nachtmütze und ihrem Nachthemd, sehen konnten. »Das ist genug Verschwörung für eine Nacht, Mädchen. Jetzt wird geschlafen. Morgen ist ein großer Tag, und ich werde müde sein, wenn ich meinen Schönheitsschlaf nicht bekomme.«
Beide Mädchen kicherten, aber weder die eine noch die andere sagte, was sie dachte – dass ein Schönheitsschlaf nicht viel helfen würde. Mrs. Shelbourn war eine freundliche Seele, obgleich sie es hasste, im selben großen Raum wie die Mädchen zu schlafen.
»Ja, Ma’am.« Vivian kletterte aus dem Bett. »Was ist morgen denn los?«
»Es sind nur noch zwei Tage bis zur Gesellschaft, das meine ich natürlich!« Mrs. Shelbourn brachte Vivian wieder ins Bett, dann kam sie zurück zu Agnes und streichelte ihr die Stirn.
»Alles in Ordnung, Liebes?«
Meinte sie damit, ob Agnes Hilfe brauchte wegen ihrer Periode? Miss Prendregast hatte Recht. Alle Frauen waren sehr nett gewesen und sehr verständnisvoll, was Agnes’ Leiden anging, und Agnes hatte nichts dagegen, dass Mrs. Shelbourn sie fragte. Dadurch erschien alles in einem so nüchternen und selbstverständlichen Licht. Agnes schüttelte den Kopf und schloss die Augen. Und plante, wie sie ihren Vater dazu bringen konnte, Miss Prendregast zu heiraten.
Keiner schien zu wissen, welchem Zweck die Versammlung diente. Samantha jedenfalls hatte nicht die geringste Ahnung.
Alle Bediensteten hatten sich an den Wänden der Eingangshalle aufgestellt. Die Kinder standen vor ihnen, geordnet von der Größten bis zur Kleinsten. Samantha hielt Kylas Hand, und alle Augen waren auf Colonel Gregory gerichtet.
Er stand genau in der Mitte der Halle und trug einen konservativen Anzug aus mitternachtsblauem Stoff. Die Hände hinter dem Rücken verschränkt, musterte er seine aufgereihte Dienerschaft mit diesen bemerkenswert blauen Augen, die Samantha ständig einen Schauer übers Rückgrat jagten.
»Ich habe euch aus zwei Gründen hergebeten. Der erste« – er hielt einen Finger hoch –, »die Gäste werden morgen hier eintreffen, und ich möchte, dass jeder darauf achtet, dass sie ununterbrochen beschäftigt und nicht sich selbst überlassen sind.
Sollte etwas, irgendetwas eintreten, das das nicht gewährleistet, möchte ich davon unterrichtet werden.«
Samantha hatte Erfahrung mit Hausgesellschaften und gelangweilten, privilegierten Gästen und was sie aus purem Übermut anstellten, so dass sie wusste, was er meinte.
Mitten natürlich auch, aber in seinem schwerfälligen Tonfall sagte er: »Verzeihung, Colonel, aber zur Erhellung für die neueren Hausangestellten, können Sie uns genauer sagen, was Sie damit meinen?«
»Ich wäre nicht gerade glücklich, wenn ein Gast das Tafelsilber
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