Die widerspenstige Lady
Tagträume über Fitzsimmon zu vertreiben, und zog nun ihrerseits. Herz Zwei. Damit hatte Hugo gewonnen und griff zum Kartenstapel. Mit einem Geschick, das Annabell aus rätselhaften Gründen wieder ganz in den Bann zog, begann er zu mischen und teilte schließlich aus. Die Partie konnte beginnen.
Bisher hatte sie sich immer für eine gute Whistspielerin gehalten. Ihrem Gastgeber konnte sie allerdings nicht das Wasser reichen. Die erste Runde ging an sie beide, obwohl sie nicht unbedingt das bessere Blatt gehabt hatten.
„Tee?“, fragte er und sah ihr tief in die Augen, was ihr ausgesprochen unangenehm war.
„Bitte“, antwortete sie und schaute zur Seite.
„Miss Pennyworth?“
„Sehr gern, Sir.“ Sie lachte, und in den hellblauen Augen schienen Funken zu tanzen. „Ich kann mich gar nicht erinnern, wann ich eine Partie Whist je so genossen hätte.“
„Tatsächlich?“, fragte er ironisch.
Der Ton trug ihm einen strafenden Blick von Annabell ein, den er ungerührt erwiderte. Sie wusste genau, dass er ihre Gesellschafterin nicht mochte.
Er schenkte den beiden Damen Tee ein und fügte ohne zu fragen Sahne und Zucker hinzu. „Cognac?“, fragte er dann Tatterly. „Schließlich haben wir beide uns nach dem Essen nicht ins Rauchzimmer zurückgezogen, um uns ausgiebig dem Portwein zu widmen. Das können wir ja jetzt hier beim Cognac nachholen.“
Tatterly nickte, obwohl er den Ausführungen seines Herrn nicht wirklich zustimmen konnte.
Bei der nächsten Runde tauschte man die Partner. Annabell spielte zusammen mit Mr. Tatterly. Die Partie wurde zu einem Debakel. Miss Pennyworth sagte erst falsch an und vertat sich dann auch noch mehrfach beim Ausspielen.
Nach der Partie stand Annabell eilig auf. „Ich glaube, für mich wird es Zeit. Morgen muss ich früh zurück zu den Ausgrabungen.“
„Natürlich.“ Sir Hugo erhob sich langsam. „Ich werde Sie zu Ihrem Zimmer begleiten.“
„Das ist ganz unnötig. Ich bin eine erwachsene Frau und finde den Weg.“
„Eine Frau sind sie unübersehbar, Madam.“ Er schenkte ihr einen tiefen Blick, wie er es wohl bei vielen Damen tat. „Und Ihre Unabhängigkeit haben Sir mir ebenfalls hinreichend bewiesen. Allerdings haben wir denselben Weg, und ich hätte dabei gern Gesellschaft. Außerdem …“, er lächelte spöttisch, „… entlaste ich so den Haushaltsposten für Kerzen. Wir können nämlich jetzt eine teilen, statt zwei nach oben zu tragen.“
„Als ob Sie sich um solche Kleinigkeiten den Kopf zerbrechen müssten.“ Annabell deutete auf das im warmen Spätfrühling brennende Kaminfeuer und die zahlreichen Kerzen, die die ganze Bibliothek erleuchteten.
„Annabell“, mahnte Susan leicht strafend.
Offenbar war der Armen ganz entgangen, was Sir Hugo von ihr hielt. Aber Susan lebte eben in ihrer eigenen Welt. Lag es nun daran, dass sie ihm die kaum verborgene Ablehnung der Freundin übel nahm – oder an seiner sinnlichen Ausstrahlung, jedenfalls wollte sie jetzt nicht mit ihm allein sein. Leider blieb ihr keine Wahl.
„Wenn Sie darauf bestehen“, ergab sie sich endlich übellaunig in ihr Schicksal.
„Allerdings, Madam“, bestätigte er leicht spöttisch.
Sie hatte nun genug von diesem sprachlichen Scharmützel. Seufzend wandte sie sich um, durchschritt die Halle und begann, die Treppe zu den Schlafgemächern zu erklimmen. Am Geländer standen zahlreiche Diener in rot-goldener Livree aufgereiht. Sir Hugo begrüßte jeden mit Namen und wünschte ihm eine gute Nacht. Der Mann war Annabell einfach ein Rätsel. Ihr stellte er nach, zu Susan war er offen unhöflich, aber das Personal behandelte er mit größter Liebenswürdigkeit. Wahrscheinlich lag es wirklich daran, dass er selbst um ein Haar als Dienstbote geendet wäre, wie er ja beim Abendessen berichtet hatte.
Nach einer Weile hatte er Annabell auf der Treppe eingeholt und bot ihr den Arm.
„Danke“, lehnte sie ab und hoffte, dass ihr Ton nicht zu schroff klang.
„Wie Sie wünschen“, antwortete er leise.
Schlimm genug, dass sie ihn kaum ansehen konnte, ohne in Tagträume zu versinken, aber bei jeder seiner Berührungen überkam sie das Gefühl, ein Blitz würde sie durchzucken.
Oben angekommen, schritten sie nun über den Teppich des Flurs. Stück für Stück kam er ihr auf dem Korridor näher, ohne sie jedoch zu berühren. Er duftete nach Zimt und Muskat – eine eher ungewöhnliche Note für einen Mann. Doch sie gefiel ihr.
„Sie sind eine ausgesprochen kluge Frau“, bemerkte
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