Die widerspenstige Lady
nach Tee.“ Sie entknotete ihr Hutband. „In der Bibliothek?“
„Wo sonst?“ Mit großer Geste wies Hugo der Stiefmutter den Weg.
Zufrieden ging sie ihm voraus. Angekommen, nahm sie in ihrem Lieblingssessel Platz, in dem auch Lady Fenwick-Clyde gern saß. Was finden Frauen nur an Chintz und einer zu weichen Polsterung, fragte Hugo sich verwundert.
„Warum sitzt du so gern in diesem Sessel?“, erkundigte er sich.
„Wie kommst du denn jetzt darauf?“, wollte sie erstaunt wissen.
Lächelnd schüttelte er den Kopf. „Reine Neugier. Alle Damen scheinen dieses Möbel zu lieben.“
Juliet nahm den Hut ab und legte ihn auf den Tisch, der neben dem Sessel stand. „Sonderbar, dass dir derlei auffällt, Hugo. Du fühlst dich doch wohl, Lieber?“
„Zumindest bin ich bei bester Gesundheit“, bestätigte er gut gelaunt.
„Aha.“ Sie hob die Brauen.
Der Tee wurde serviert. Juliet schenkte sich ein, während er verzichtete.
„Bei mir sind zwei Frauen zu Gast“, erklärte er danach.
Sie verschluckte sich und hätte beinah den Tee verschüttet. „Hugo, wie kannst du es wagen?“
Himmel, sogar Juliet hielt ihn also für einen rücksichtslosen Verführer. „Ich unterhalte keinerlei amouröse Beziehungen zu den beiden.“ Nach kurzem Zögern fügte er hinzu: „Zumindest noch nicht.“
Ihre anfängliche Erleichterung verschwand. „Was soll das heißen?“
„Deshalb bin ich ja so froh, dich hier zu haben.“
„Tatsächlich?“ Eilig nahm sie noch einen Schluck, um sich zu stärken.
Sein Lächeln hatte etwas Wölfisches an sich, als er nun antwortete: „Wenigstens sage ich mir das immer wieder.“
„Du sprichst in Rätseln“, erwiderte sie kopfschüttelnd.
„Das ist wohl der Einfluss von Miss Pennyworth.“
„Hugo!“
„Lady Fenwick-Clyde und ihre Gesellschafterin Miss Pennyworth wohnen hier, solange Erstere die römische Villa auf meinem Grund ausgräbt.“
Juliet wurde zunächst rot und dann blass. „Lady Fenwick-Clyde?“
Woher mochte die Stiefmutter sie kennen? Er selbst hatte eine Zeit lang zum Kreis des Prinzregenten gehört und damit Zutritt auch zu den vornehmsten Häusern des ton gefunden. Doch bevor er Annabell gestern geküsst hatte, war er ihr nie begegnet.
Und was war das für ein Kuss gewesen! Ihre Lippen, so weich wie Seide, hatten eine Feuersbrunst der Leidenschaft in ihm entfacht, wie er sie zuvor nicht gekannt hatte. Seitdem konnte er es kaum ertragen, die Frau anzusehen, ohne sie zu berühren! Selbst jetzt, in der Gesellschaft seiner Stiefmutter, erregte ihn die Erinnerung so sehr, dass er froh war, gerade zu sitzen …
„Eben jene.“ Er nickte. „Sie ist eine Privatgelehrte der Archäologie.“
„Hat Sie einen Stiefsohn?“, fragte Juliet gespielt unschuldig. Doch Hugo durchschaute sie.
„Ich glaube ja. Zumindest weiß ich, dass Fenwick-Clyde einen Sohn aus erster Ehe hatte. Ich erinnere mich aber nicht an den Namen des Jungen.“
„Timothy.“ Sie errötete. „So heißt er.“ Unsicher spielte sie mit den Falten ihres Kleides. „Und er ist keineswegs ein Junge, sondern bereits Witwer. Seine Gemahlin und ihr Kind starben vor einem Jahr bei der Entbindung.“
„Dann habe ich mich wohl bei seinem Alter geirrt.“ Er musterte sie forschend. „Bist du gut mit ihm bekannt?“
„Nein. Also, nur ein wenig. Wir haben uns während der Saison kennengelernt. Die Kinder mögen ihn sehr.“
Das alles gefiel ihm gar nicht. Er runzelte die Stirn. Fenwick-Clydes Sohn war kein geeigneter Umgang für Juliet. Der Apfel fiel bekanntermaßen selten weit vom Stamm.
„Triffst du ihn, Juliet?“
„Nicht wirklich.“ Sie erblasste noch mehr und hörte auf, am Stoff des Kleides zu zupfen.
„Würdest du mich freundlicherweise ins Bild setzen über diese ganze Angelegenheit?“
„Nein, Hugo, zumindest jetzt noch nicht.“ Sie holte Luft. „Außerdem schweifst du ab. Erzähl doch bitte mehr von deinen Gästen.“
„Bravo, Juliet. Du hast recht. Es geht mich eigentlich nichts an, mit welchen Männern du Bekanntschaften pflegst. Dennoch mache ich mir Sorgen.“
Liebevoll lächelte sie ihm zu. „Das weiß ich, Hugo. Aber du hast keinen Grund dazu.“
Wäre sie nicht erneut errötet, hätte er ihr vielleicht geglaubt. Dennoch ließ er die Angelegenheit einstweilen ruhen. „Also zurück zu mir, Juliet. Für einen Junggesellen, der einen gewissen Ruf zu verteidigen hat, schien es nicht die beste Lösung, Lady Fenwick-Clyde hier bei mir auf Rosemont wohnen zu lassen. Sie
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