Die widerspenstige Lady
ist zwar Witwe und befindet sich in Begleitung ihrer Gesellschafterin, dennoch könnte es ihren Ruf ruinieren, wenn sie allein mit mir unter einem Dach nächtigt.“
„Seit wann schert dich derlei auch nur einen Deut?“
Nun stieg ihm das Blut in die Wangen – was ihn ausgesprochen ärgerte. „Es gehört nicht zu meinen Gewohnheiten, angesehene Damen der Gesellschaft zu ruinieren.“
„Aber du bist für deine Affären mit Witwen berüchtigt.“ Sie schenkte ihm einen zweifelnden Blick. Die ganze Geschichte kam ihr doch sehr merkwürdig vor.
„Es gibt Witwen, bei denen man sich über derlei keinerlei Gedanken machen muss. Lady Fenwick-Clyde zählt nicht dazu“, erwiderte er mit einem Schulterzucken.
„Ach ja? Jedenfalls freue ich mich darauf, sie kennenzulernen, denn bisher bin ich noch keiner Frau begegnet, die dir lange hätte widerstehen können, Hugo, oder das auch nur gewollt hätte. Sonst sinken sie dir doch stets sofort in die Arme.“ Sie neigte den Kopf. „Du hast so etwas … Genau wie dein Vater.“
„Warum bist du ihm dann nie verfallen?“
Sie senkte kurz den Blick, bevor sie ihm wieder offen in die Augen sah. „Rafael hat mich nicht aus Liebe geheiratet. Glücklicherweise war ich klug genug, mein Herz nicht an ihn zu verlieren, obwohl es fast geschehen wäre. Er hat es ohnehin nie gewollt.“
Ihre offenen Worte erstaunten ihn. Dass es keine Neigungsheirat gewesen war, wusste er. „Es tut mir so leid, Juliet“, sagte er mitfühlend und nahm über den Tisch hinweg ihre Hände in die seinen. „Ich ahnte nichts von deinen Gefühlen. Andernfalls hätte ich nicht so aufdringlich nachgefragt.“
„Das liegt nun alles in der Vergangenheit, mein Lieber“, bemerkte sie freundlich. „Ich denke nur noch selten daran. Außerdem habe ich ja jetzt Joseph und Rosalie. Mehr kann sich keine Frau wünschen. Und dann bist ja auch du noch da, der mich gern hat und sich um mich sorgt. Ganz zu schweigen von der wirklich sehr großzügigen Witwenapanage, die du mir zugestehst.“ Sie zwinkerte ihm zu. „Herz, was willst du mehr?“
Er verbiss sich die Antwort, denn sie erstaunte ihn selbst. Liebe . Himmel, was war er nur neuerdings für ein sentimentaler Strohkopf! Wirklich nicht zu fassen!
„Und nun“, fuhr sie aufgeräumt fort und sah sich in der Bibliothek um, „sollte ich mich etwas frisch machen. Ich will doch gut aussehen, wenn ich diesem Ausbund an Tugend begegne, der dir das Leben schwer macht.“
Auch er erhob sich, ging zu ihr hinüber und küsste sie sanft auf die Stirn.
„Du bist ein Engel, Juliet. Vielen Dank für deinen Besuch hier.“
„Glaub mir, mein Lieber, nach allem, was du mir erzählt hast, würde ich mir die nächsten Tage auf Rosemont um nichts in der Welt entgehen lassen. Eine Frau, die dir die kalte Schulter zeigt. Es gibt doch immer wieder Wunder.“
Versonnen sah er ihr nach. Juliets Anwesenheit würde eine Verführung ungeheuer erleichtern …
Annabell stand im Salon und betrachtete ein Porträt von Sir Rafael Fitzsimmon. Hugo sah ihm sehr ähnlich. Beide waren groß und muskulös, mit kastanienbraunen Locken, die ihnen verwegen in die Stirn fielen. Hugos Augen waren zwar grün, die seines Vaters dunkel. Die sinnlich geschwungenen Lippen verdankte er allerdings ebenfalls Rafael.
„Er hat immer sehr gut ausgesehen“, erklärte eine Frauenstimme. „Ganz wie sein Sohn.“
Erschrocken drehte Annabell sich um. Sie hatte nicht gehört, wie jemand hereingekommen war. Vor ihr stand eine kleine zarte Frau mit dichtem tizianrotem Haar und lächelte ihr zu. Sie war nach der neusten Mode in cremefarbenen Musselin gekleidet. Um den Hals und am Handgelenk trug sie Perlen, die auch an ihren Ohren schimmerten. Eine Venus en miniature , da bestand kein Zweifel. Meine Brüder, dachte Annabell, würden sie zweifellos für ein wahres Juwel halten.
„Verzeihung“, bat die Dame. „Ich wollte Ihnen keinen Schrecken einjagen. Ich bin Juliet Fitzsimmon, Hugos Stiefmutter.“
„Das haben Sie nicht“, erwiderte Annabell lächelnd. „Ich war nur so versunken in das Bild Ihres Gatten. Wie Sie sagten, ein sehr attraktiver Mann. Man kann fühlen, wie viel Ausstrahlung er besessen haben muss.“
„Ja, da haben Sie vollkommen recht“, bestätigte Juliet. „Beinahe könnte man annehmen, Sie hätten ihn gekannt.“ Sie neigte den Kopf und zwinkerte. „Aber Sie sind ja bereits mit Hugo bekannt. Die beiden ähneln einander sehr.“
„Nein, gar nicht“, widersprach Annabell, um
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