Die widerspenstige Lady
bis dahin nicht alles allein erledigen, Madam. Lassen Sie mich zumindest helfen.“
„Sie dürften kaum angemessen gekleidet sein. Beim Graben werden Sie nur Ihre modischen Pantalons beschmutzen, und Sie wollen ein solch schönes Stück doch bestimmt nicht ruinieren.“
„Mir macht das nichts aus. Und Jamison wird es auch wenig kümmern. Er ist noch immer eher Soldat denn gewissenhafter Kammerdiener.“ Sanft berührte er ihren Arm. „Ich werde mich ganz gewiss nicht dumm anstellen.“
Fast wäre sie bei der Berührung aufgesprungen. Genau deshalb wollte sie ihn nicht hier haben.
„Ich müsste Sie die ganze Zeit beaufsichtigen“, lehnte sie etwas rüde ab. „Damit ist mir nicht gedient.“
„Könnte es nicht einfach sein, dass Sie lieber keine Zeit in meiner Gesellschaft verbringen wollen?“, fragte er. „Dann geben Sie es doch bitte ehrlich zu.“
„Also gut. Ja, das ist der wahre Grund.“ Sie entzog ihm den Arm.
„Mit Ehrlichkeit kommt man bei mir weiter als mit höflichen Notlügen.“
„Ich wäre Ihnen dankbar, wenn Sie mich einfach in Ruhe ließen“, entgegnete sie.
„Leider kann ich Ihnen das nicht glauben, Lady Fenwick-Clyde – Annabell. Ist es nicht vielmehr so, dass die Gefühle Sie erschrecken, die ich in Ihnen wecke?“
„Unsinn!“
„Sie wollen von mir berührt werden und mich in Ihrer Nähe haben“, flüsterte er.
„Machen Sie sich nicht lächerlich. Sie leiden ja an Wahnvorstellungen.“
Exzellent, dachte sie, meine Stimme klang fest, und ich bin nicht ängstlich vor ihm zurückgewichen. Mochte ihr auch das Herz wild klopfen. Das konnte bei einer Auseinandersetzung schon einmal vorkommen.
„Nein“, widersprach er. „Ich bin lediglich ehrlich.“
„Ebenso wie ich“, erwiderte sie knapp.
„Wen wollen Sie belügen?“ Er lachte. „Mich oder doch eher sich selbst? Sie waren erregt, als wir gestern miteinander tanzten, und haben sich sogar an mich geschmiegt.“
„Habe ich nicht.“ Der Kerl hielt sie wohl für leichtfertig!
„Oh, doch. Ihre Augen leuchteten, und Sie fühlten genau, dass Ihr Platz in meinen Armen ist.“
Heftig schüttelte sie den Kopf. „Nein“, hauchte sie endlich.
„Dann beweisen Sie es mir, Annabell. Zeigen Sie mir, dass Sie der Versuchung widerstehen können, wenn ich Sie wieder umarme, küsse und …“ Er vollendete den Satz nicht, sondern überließ dies ihrer Fantasie.
Zitternd trat sie einen Schritt zurück und stolperte über einen Stein. Bevor sie fiel, hatte er sie aufgefangen und ihr die Arme um die Taille gelegt. Dann zog er sie an die Brust.
Sie sah zu ihm auf. Wohin sollte das führen? Wie weit würde er gehen – und sie sich gehen lassen?
„Annabell“, war plötzlich Susans Stimme zur vernehmen. „Wo steckst du denn? Ich will die Zeichnung vom Zeus-Mosaik fertig stellen!“
Eilig stieß Annabell ihn fort. Mit einem ironischen Lächeln gab Hugo sie frei.
„Ich bin hier, Susan!“, rief sie dann. „Hinter dem Gebüsch beim geometrischen Mosaik.“
Miss Pennyworth kam in Sicht. „Ah, dort. Oh, Sir Hugo, Sie hatte ich gar nicht hier erwartet.“
„Ich wollte mich gerade verabschieden“, erklärte er und verneigte sich.
„Sie gehen doch hoffentlich nicht meinetwegen“, sagte Susan. „Bestimmt wollen Sie erst sehen, was wir hier machen. Lassen Sie sich nur nicht von mir davon abhalten. Sie stören mich keineswegs beim Zeichnen.“
„Nur keine Sorge“, erwiderte Hugo gequält. „Ich wollte wirklich gerade gehen.“
Mit einer Mischung aus Bedauern und Erleichterung sah Annabell ihm nach. Susan war wirklich im letzten Augenblick gekommen … Oder etwa doch nicht?
6. KAPITEL
Annabell spähte vorsichtig in die Bibliothek. Auf gar keinen Fall wollte sie ihrem Gastgeber begegnen. Die Unterhaltung mit ihm heute Morgen würde ihr für ein ganzes Leben reichen. So sagte sie sich zumindest. Sie erschauerte. War es auf einmal kalt geworden hier drin? Seufzend betrat sie das Zimmer.
Obwohl der Sommer im Land schon fast Einzug gehalten hatte, brannte im Kamin ein Feuer, um die Kühle aus dem großen alten Haus zu vertreiben. Der Schein zahlreicher Kerzen tauchte alles in goldenes Licht. In der Bibliothek war stets alles für Sir Hugo vorbereitet. Bei einem Mann seines Rufs schien es erstaunlich, dass er einen solchen Büchernarren abgab. Zumindest dafür mochte Annabell ihn.
„Kommen Sie nur herein“, erklang es jetzt aus einem der schweren, mit Leder bezogenen Ohrensessel neben dem Feuer.
„Ich hätte wissen
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