Die widerspenstige Lady
hinzugeben.
Peinlicherweise entging ihr dann jedoch, dass die letzten Töne verklungen waren. So gefangen war sie von dem Zauber, den Sir Hugo auf sie ausübte. Als er stehen blieb, wäre sie beinah gestürzt.
Er hielt sie fest, und sie lehnte sich an seine Brust. „Wenn ich dich küsse, wirst du mich dann ohrfeigen?“, fragte er.
„Ich weiß es nicht.“
„Komm auf mein Zimmer heute Nacht“, flüsterte er ihr zu.
Doch Annabell schüttelte den Kopf.
Endlich gab er sie frei und trat einen Schritt zurück.
„Hugo“, rief Juliet. „Hör auf mit Annabell zu flirten, und bring sie her. Wir stimmen gerade darüber ab, ob wir noch weiter tanzen oder zu Bett gehen.“
Annabell schreckte auf, denn sie hatte völlig vergessen, dass sie nicht allein im Musikzimmer waren. So ruhig wie möglich ging sie mit Sir Hugo zu den anderen hinüber.
„Machen wir Schluss“, bat sie vernehmbar atemlos, was sie ärgerte. „Ich muss früh aufstehen. Morgen will ich den Rest des Mosaiks freilegen. Schließlich will ich nicht trödeln und Sir Hugos Gastfreundschaft über Gebühr ausnutzen.“
„Oh Annabell“, bettelte Susan. „Nur noch ein Tanz.“ Ihre Wangen schimmerten rosig, und die Augen strahlten.
Annabell hatte sie noch nie so gesehen. Dennoch durfte sie nicht nachgeben. Noch ein Tanz mit Sir Hugo, und sie würde sich endgültig vergessen. Der Mann zog sie an wie ein Magnet. Und dabei war er das Letzte, was sie in ihrem Leben brauchte oder gar ersehnte.
„Es tut mir leid, Susan, aber ich bin müde.“ Sie zwang sich zu einem Lächeln und wandte sich an die anderen. „Allerdings müssen Sie mir ja nun nicht alle nachfolgen. Amüsieren Sie sich doch ruhig noch etwas ohne mich. Schließlich sind ja auch so zwei Paare übrig, und Juliet kann spielen.“
Unwillig stimmte man zu. Miss Childs sah sehnsüchtig hinüber zu Sir Hugo. Offenbar wünschte sie nichts mehr, als mit ihm zu tanzen. Wieder empfand Annabell flammende Eifersucht, aber das sollte sie nicht davon abhalten, sich jetzt zurückzuziehen. Blieb nur zu hoffen, dass Fitzsimmon dem Mädchen nicht wirklich das Herz brach.
„Ich stehe morgen früh rechtzeitig auf“, versprach Susan. „Ich soll doch bestimmt das Mosaik weiter für dich abzeichnen.“
„Sehr gut, Susan. Wir sehen uns dann also beim Frühstück.“ Sie nickte der Freundin zu. „Und Ihnen noch einmal vielen Dank, Juliet. Es hat wirklich viel Spaß gemacht.“
„Wie schön, Annabell. Als Sie anfangs mit Hugo auf der Tanzfläche standen, dachte ich erst schon, Sie wollten sich gleich wieder hinsetzen.“
Annabell lächelte mühsam. „Oh, nein, so leicht gebe ich nicht auf!“
„Dann ins Bett mit Ihnen.“ Juliet zwinkerte ihr zu.
Das ließ Annabell sich nicht zweimal sagen. Wenn sie den drei anderen allerdings jetzt noch ebenso ausgedehnt eine gute Nacht wünschte, waren sie alle morgen früh noch hier.
Himmel, und da war Hugo schon wieder ganz dicht hinter ihr! Eilig ging sie zur Tür. „Ich finde allein hinauf.“
Er folgte ihr. „Flucht?“, fragte er ironisch.
„Vor Ihnen?“ Sie hob das Kinn. „Wohl kaum.“ Annabell sah hinüber zu den anderen, die einige Schritte entfernt bei Juliet am Klavier standen, und verbiss sich eine weitere Entgegnung. „Falls Sie mich nun entschuldigen wollen, würde ich mich gern zurückziehen“, sagte sie stattdessen.
Mit einem spöttischen Lächeln verneigte er sich vor ihr.
In ihrem Zimmer angekommen, legte sie sich allerdings nicht gleich ins Bett, sondern schritt unruhig auf und ab, schneller und immer schneller, bis sie förmlich durchs Zimmer wirbelte. Als sie sich endlich ein wenig beruhigt hatte, ließ sie ihre Kleider zu Boden gleiten. Sie konnte die Unordnung morgen beseitigen. Dann schlüpfte sie zwischen die Laken und fiel in einen unruhigen Schlaf. In ihren Träumen tanzte sie mit Hugo in einem riesigen Ballsaal, der verräterische Ähnlichkeit mit der Hölle besaß …
Am nächsten Morgen ging Annabell zu Fuß zur Ausgrabung. Sie brauchte frische Luft, um wieder einen klaren Kopf zu bekommen. In den letzten Tagen hatte sie sich selbst nicht mehr wiedererkannt. Daran war nur Sir Hugo schuld. Missmutig trat sie gegen einen Stein.
In den Bäumen zwitscherten die Vögel. Und sie sah sogar einen Fuchs. Überall blühten wilde Blumen, und das Gras zeigte sein helles Frühlingsgrün. Dieser Landstrich war sehr fruchtbar. Das hatten schon die Römer gewusst, andernfalls hätten sie sich hier nicht niedergelassen.
Als sie die
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