Die widerspenstige Lady
eine neue Portion zusammen.“
Sie schüttelte sich. „Kommen Sie mir nur nicht zu nahe, wenn Sie sich damit eingerieben haben.“
Bei dieser Bemerkung musste er herzlich lachen. „Jamison durchkreuzt also meine Pläne.“
„Das muss ich leider bestätigen, Hugo.“
„Welch ein Unglück“, erklärte er ernst.
„Ich muss jetzt wirklich gehen“, teilte sie ihm fest mit, als ihr auffiel, dass er schon wieder mit ihr flirtete. Schnell entfloh sie der Bibliothek.
9. KAPITEL
Erschöpft von der langen Ausgrabungsarbeit, zog Annabell sich spät am Abend auf ihr Zimmer zurück. Unten im Salon spielten die anderen noch Karten. Ihr stand nicht der Sinn danach, wieder Hugos Abscheu gegen Susan mit anzusehen.
Annabell zog ihr Schreibpult aus dem Koffer, in den sie es zuvor verpackt hatte, um in den Gasthof umzuziehen. Das schien nun Jahre zurückzuliegen. Tatsächlich war es aber nur einige Tage her. Sie nahm auf einem Sessel Platz, legte das Pult auf den Schoß und zog aus dem Fach in seinem Deckel ein dickes Blatt Papier heraus. Dann tauchte sie die Feder ins Tintenfass.
Was sollte sie Felicia schreiben? Sollte sie sie damit beruhigen, dass Adam lediglich an einer Kinderkrankheit litt? Das würde der Schwägerin kaum helfen. Felicia hatte sich an sie gewandt, weil sie jemanden brauchte, der ihre Ängste verstand und sie nicht als lächerlich abtat. Schließlich hatte die Arme bereits zwei Kinder verloren – natürlich verfiel sie nun auch schon bei der geringsten Gefahr in höchste Furcht. Und Guy erging es nach seinem Verlust da sicherlich keineswegs besser.
Seufzend ließ Annabell die Feder wieder sinken. Wie konnte sie Felicia Vorwürfe machen? Das Leben war oft viel zu kurz. Ihre eigenen Eltern waren bei einem Kutschunfall gestorben. Ja, und Hugo hätte leicht bei Waterloo fallen können, statt ausgezeichnet zu werden für seine Tapferkeit. Viele Männer waren aus dem Krieg nicht heimgekehrt.
Hugo. Was wenn ihm etwas geschah? Nicht dass er gegenwärtig in irgendeiner Gefahr schwebte. Dennoch … Er konnte beim Reiten abgeworfen werden. Derlei geschah oft genug …
Ihr war, als würde sich ihr das Herz schmerzhaft in der Brust zusammenziehen. Schluss damit! Erschöpft schloss sie die Augen.
Die Uhr auf dem Kaminsims schlug ein Mal für die halbe Stunde. Annabell öffnete die Augen und studierte das Ziffernblatt. Hugo musste bereits in seinem Gemach sein. Bestimmt hatte er sich so schnell wie möglich vom Kartentisch verabschiedet.
Sie wollte ihn. Nur er konnte ihr geben, wonach es sie verlangte.
Traumwandlerisch stellte sie das Pult auf den Fußboden und erhob sich. Sie würde jetzt zu ihm gehen. Weil sie keine andere Wahl besaß. Schon gestern war es fast geschehen …
Vorsichtig öffnete sie die Tür und spähte hinaus. Wenn nur niemand auf dem Flur war … Das Leben mochte zu kurz sein, um sich Hugo und die gemeinsame Liebesnacht zu versagen. Aber falls ihr Ruf ruiniert wäre, würde jeder Tag zu einer unendlich langen Qual.
Zum Glück war niemand zu sehen. Sie schlich hinaus und zu Hugos Zimmer. Mit angehaltenem Atem klopfte sie leise an. Das Herz schlug ihr bis zum Hals. Doch niemand antwortete. Also drückte sie die Klinke herunter. Schließlich hatte er sie oft genug gebeten, zu ihm zu kommen. Da konnte er ihr jetzt nicht böse sein, wenn sie in sein Gemach eindrang.
Rasch schlüpfte sie hinein. Das Bett war leer – wie das restliche Zimmer. Er war nicht da.
Sie seufzte. All die Aufregung umsonst. Der Herr spielte unten noch immer Karten. Unendlich enttäuscht, begriff sie erst jetzt, wie sehr sie sich danach gesehnt hatte, die Nacht in seinen Armen zu verbringen. Schon wollte sie wieder gehen, als ihr einfiel, dass sie auch auf ihn warten konnte. Er musste ja früher oder später heraufkommen. Leider würde ihm allerdings sein Kammerdiener folgen, und sie musste unbedingt vermeiden, dass auch nur eine Menschenseele sie hier sah. Traurig schüttelte sie den Kopf. Nein, es hatte keinen Sinn, sie musste zurück.
Noch einmal ließ sie den Blick durch das Zimmer schweifen. Die Wände waren goldbespannt, die Möbel schwer und mit Schnitzereien verziert. Ein weicher Teppich bedeckte den Fußboden. Die Rokoko-Uhr schlug zur vollen Stunde und weckte Annabell aus ihren Träumen.
Atemlos lief sie hinaus auf den Flur und zurück in ihr Zimmer, wo sie wieder auf den Sessel sank. Später würde sie es noch einmal versuchen, das wusste sie jetzt. Heute Nacht würden sie einander lieben. Dies war
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